Mit Erleichterung reagierte die Öffentlichkeit im Februar auf die Nachricht, wonach die europäischen Länder wieder auf Wachstumskurs sind. Für das laufende Jahr wird ein Wachstum von 1,6 Prozent prognostiziert, für 2018 eines von 1,8 Prozent. Auch für Griechenland, aufgrund fehlender Finanzdisziplin lange Zeit Europas Sorgenkind, wird 2017 ein Wachstum von 2,7 Prozent in Aussicht gestellt, 2018 gar eines von 3,1 Prozent. Und auch hierzulande wird mit einer Fortsetzung der konjunkturellen Erholung gerechnet.

Gemäss dem Seco wird für 2017 und 2018 eine verhaltene Beschleunigung von 1,8 Prozent beziehungsweise 1,9 Prozent erwartet. Doch zugleich zeichnen sich dunkle Wolken am wirtschaftlichen Horizont ab: Der Ausgang der Brexit-Verhandlungen ist unklar, aus den USA drohen Strafzölle. Von den Risiken im Falle zunehmender Handelshemmnisse wären exportorientierte Staaten wie Deutschland und die Schweiz besonders betroffen. Und was vielfach verdrängt wird: Treibende Kräfte der Weltkonjunktur sind heute nicht mehr die USA oder die europäischen Länder. Heute sind es die asiatischen Länder.

Die Schweizer Bauernlobby wehrt sich gegen ein Freihandelsabkommen mit Indonesien. Grund ist der Schutz des einheimischen Rapsöls. (Wikimedia Commons)

Die Schweizer Bauernlobby wehrt sich gegen ein Freihandelsabkommen mit Indonesien. Grund ist die Abschottung der Schutz zugunsten einheimischen Rapsöls. (Wikimedia Commons)

Der Wachstumselan bei uns, in der Schweiz und in weiteren westlichen Industriestaaten, kommt bei weitem nicht an die Dynamik in Asien heran. Alleine für China prognostiziert die OECD eine Wachstumsrate von 6,4 Prozent im laufenden Jahr. Ein überdurchschnittlich starkes Wachstum erwartet auch Vietnam. Nachdem der US-Präsident den Rückzug aus der Transpazifischen Partnerschaft TPP anordnete, stehen den auf Wirtschaftswachstum und gezielter Wohlstandsvermehrung ausgerichteten asiatischen Ländern andere Wege offen, um die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben.

Schon mal was gehört von RCEP? Diese Abkürzung steht für die Regional Comprehensive Economic Partnership und ist ein Abkommen in Planung zwischen den zehn AseanMitgliedsstaaten und China, Australien, Indien, Japan, Südkorea und Neuseeland. Anders die Situation in Europa: Hier ist die Stärkung des Binnenmarkts mit dem beschlossenen Austritt Grossbritanniens aus der EU zum abrupten Halt gekommen. Zugleich wird gegen Freihandelsverträge auf europäischen und amerikanischen Strassen heftig demonstriert. In den USA wird eine protektionistische Ära unter dem Motto «buy American and hire American» in Aussicht gestellt – eine Politik, die mittelfristig primär das Portemonnaie des amerikanischen Konsumenten infolge teurerer einheimischer Produkte belasten wird. Derweil planen die Verantwortlichen im asiatischen Raum mit RCEP den substanziellen Ausbau des Freihandels mit Gütern und Dienstleistungen, ebenso wie Verbesserungen zum Schutz von Investitionen und geistigem Eigentum. Mit RCEP wird einer der grössten Wirtschaftsräume der Welt heranwachsen:16 Mitgliedsländer, 3,5 Milliarden Einwohner, ein Bruttoinlandprodukt von 22397 Milliarden Dollar und ein Anteil von fast 30 Prozent am Welthandel.

Die Schweiz tut gut daran, sich dieser Dynamik nicht zu verschliessen. Unser Wohlstand ist ausserordentlich stark vom Zugang der schweizerischen Unternehmen zu ausländischen Märkten abhängig. Bereits heute fürchtet die einheimische Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, mit 320 000 Beschäftigten die grösste Arbeitgeberin der Schweizer Industrie, empfindliche Nachteile zu erleiden, falls der Marktzugang in die USA via hohe Strafzölle eingeschränkt wird. Die USA stellen nach Europa den zweitgrössten Absatzmarkt dar. Kommt es dort zur Abschottung, ist das immense Potenzial der schnell wachsenden Märkte im asiatischen Raum durch Freihandels abkommen rasch zu erschliessen. Das heisst keine Zölle mehr, gemeinsam anerkannte Standards und Normen.

Hier gilt es, die Gunst der Stunde zu nutzen, mit Vietnam, aber auch mit Thailand, Malaysia oder Indonesien. Doch Achtung: Die Schweizer Bauernlobby wehrt sich dezidiert gegen ein Freihandelsabkommen mit Indonesien. Grund ist der Schutz des einheimischen Rapsöls gegenüber dem indonesischen Palmöl. Die Frage bleibt, ob Schweizer Rapsöl der Auslöser sein soll, dass neue Marktzugänge nicht erschlossen werden können. Zur Erinnerung: Der Anteil von Rapsöl am Schweizer BIP beträgt gegenwärtig 0,2 Promille.

Diese Kolumne ist am 6. März in der «Luzerner Zeitung» und im «St. Galler Tagblatt» erschienen.