«Handelszeitung»: In den USA keimt Populismus und Protektionismus auf. Was heisst das für das «Geschäftsmodell Schweiz», das so stark auf freien Welthandel angewiesen ist?

Peter Grünenfelder: Sicher ist: Wir sind als Exportnation sehr stark exponiert, wenn die Abschottungstendenzen von wichtigen Handelspartnern um sich greifen. In der Schweiz beträgt der Anteil des Aussenhandels am Bruttoinlandprodukt 82 Prozent. In den USA zum Beispiel sind es nur gute 20 Prozent. Die Schweizer Wirtschaft, die ihr Geld hauptsächlich im Ausland verdient, würde es ungleich härter treffen.

«Natürlich steht der Freihandel auch bei uns in der Kritik, vor allem in linkskonservativen und wachstumskritischen Kreisen.» (ETH-Bibliothek, Bildarchiv)

«Natürlich steht der Freihandel auch bei uns in der Kritik, vor allem in linkskonservativen und wachstumskritischen Kreisen.» (Postkarte von 1952, ETH-Bibliothek, Bildarchiv)

Wie soll die Schweiz auf den wachsenden Protektionismus reagieren?

Die Schweiz tut gut daran, wenn sie den bisherigen Kurs weiterfährt. Sie sollte also ihre Handelspartnerschaften mit jenen Ländern vertiefen, welche hohe Wachstumsraten verzeichnen. Ich spreche hier vor allem von den asiatischen Staaten: Mit China hat die Schweiz bereits ein Freihandelsabkommen, von Interesse sind aber auch Malaysia, Vietnam und Indonesien. Mit diesen Ländern hatte die Schweiz in den letzten Jahren sehr hohe Zuwachsraten im Aussenhandel.

In den USA gibt es Kräfte, die den Heimmarkt zunehmend abschotten wollen. Stellen Sie eine solche Entwicklung auch hierzulande fest?

Eine Abschottung des Heimmarktes sehen wir nicht, jedoch gibt es auch hierzulande gewisse Tendenzen in diese Richtung. Die Migrationsfrage etwa wird genauso emotional geführt wie anderswo. Allerdings gibt es keine massgeblichen politischen Kräfte, die sich gegen die Schweiz als Aussenhandelsdrehscheibe wenden, sprich auf die sogenannten Trumponomics setzen. Auch namhafte Exponenten der SVP sprechen sich gegen eine solche Wirtschaftspolitik aus.

Wie stark ist hierzulande der Freihandel unter Druck?

Natürlich steht der Freihandel auch bei uns in der Kritik, vor allem in linkskonservativen und wachstumskritischen Kreisen. In die gleiche Kerbe schlagen überdies einzelne Branchen. Ich sage es hier ganz dezidiert: Es darf nicht sein, dass die Agrarlobby etwa den Freihandel mit Indonesien torpediert, um die einheimische Rapsöl-Branche zu schützen, die nur gerade 0,2 Promille der einheimischen Wertschöpfung ausmacht.

Gleich drei Initiativen zur Landwirtschaft fordern mehr Abschottung. Die Begehren treffen offenbar einen Nerv.

Es ist legitim, dass bäuerliche Organisationen mit Volksinitiativen versuchen, die einheimische Landwirtschaft noch stärker zu stützen. Jedoch zeigen Umfragen von uns, dass die Bevölkerung diesen überhöhten Ausgaben zulasten der Steuerzahler und Konsumenten zunehmend kritischer gegenübersteht. Am Schluss bekommen nicht zuletzt die weniger einkommensstarken Bürger die überhöhten Nahrungsmittelpreise im Portemonnaie zu spüren. Ebenso verlieren Branchen wie der Tourismus deswegen an Wettbewerbsfähigkeit. Ziel muss deshalb sein, den Zollschutz abzubauen und die öffentlichen Ausgaben für die Landwirtschaft auf europäisches Niveau zu senken.

Sind die Abschottungstendenzen eine Reaktion darauf, dass das Tempo der Globalisierung zu hoch ist?

Wir alle bekommen die enorme Dynamik der globalisierten Wertschöpfungsketten zu spüren. Man kann versuchen, sich dieser Entwicklung politisch oder regulatorisch entgegenzustellen. Aber die Globalisierung wird trotzdem weitergehen, nur nicht hier, sondern anderswo, etwa in Asien. Wir brauchen den Zugang zu ausländischen Märkten – das ist die beste Wohlstandsgarantie. Es ist die Aufgabe der Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, dies der Bevölkerung stetig zu vermitteln – nicht nur an Abstimmungswochenenden.

Interview: David Vonplon. Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der «Handelszeitung».

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