Schweizer Firmen haben je nach Branche sehr unterschiedliche Anreize, Lehrlinge auszubilden. 60% der ausbildenden Betriebe erzielen während der Lehrzeit einen Überschuss, für sie ist die Lehrlingsausbildung auch finanziell von Vorteil. 40% Prozent der Lehrfirmen nehmen hingegen Nettokosten in Kauf, der Nutzen fällt für sie langfristig an.

Kaum ein Gebiet der Schweizer Berufsbildung wurde in den letzten Jahren so eingehend erforscht wie die Kosten-Nutzen-Bilanz der Lehrlingsausbildung. Die Datengrundlage bilden zwei Erhebungen der Universität Bern und des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2000, in denen ausbildende und nichtausbildende Betriebe befragt wurden.

Die Lehrbetriebe gaben detailliert Auskunft über die Kosten und Erträge der Lehrlingsausbildung. Erstere bestehen zu 90% aus Löhnen (Lehrlingslöhne, Löhne der Ausbildner), der Rest verteilt sich auf Material, Infrastruktur und externe Kurse. Löhne sind der dominierende Kostenfaktor. Die Erträge der Lehre sind sehr heterogen und hängen vor allem vom Lehrberuf und dem Lohnniveau der Arbeitskräfte ab, die die Lehrlinge ersetzen (vgl. Abb.). Im Mittel der ausbildenden Betriebe betragen die Nettoerträge der Ausbildung 6200 Fr.; für den typischen Lehrbetrieb übersteigen die Erträge die Kosten.

40 Prozent der Betriebe nehmen Nettokosten in Kauf

Die Streuung der Nettokosten ist allerdings sehr breit, sowohl im Querschnitt der Lehrbetriebe als auch der Lehrberufe. 60% der ausbildenden Betriebe erzielen einen solchen Überschuss, 40% Prozent nehmen während der Lehrzeit Nettokosten in Kauf.

Der entscheidende Unterschied entsteht auf der Ertragsseite: Die potenziellen Erträge der Nicht-Lehrfirmen betragen nur einen Drittel der effektiven produktiven Beiträge der Lernenden in den Lehrbetrieben. Das kann dahingehend interpretiert werden, dass nichtausbildende Betriebe nicht primär die Kosten scheuen, sondern zu wenig betriebliche Einsatzmöglichkeiten für Berufslernende haben.

Betriebsgrösse und Spezialisierung als Hemmschuhe

Die Ursache kann sowohl in der Spezialisierung der Tätigkeiten als auch in der Betriebsgrösse liegen. Hoch spezialisierte Firmen können Lernende nicht vollumfänglich ausbilden und der produktive Einsatz ist erschwert. Die Betriebsgrösse wirkt ähnlich. Da für die Beschäftigung von Lehrlingen auch Tätigkeiten abgetreten werden müssen, die sonst von Fachkräften vollbracht werden, reduziert ein kleiner Mitarbeiterbestand die Chance, dass genügend Beschäftigung und Personal für einen Lernenden vorhanden ist. Kleinbetriebe bilden deshalb im Mittel weniger aus.

Die Lehren, die sich aus Sicht der Lehrfirmen am meisten lohnen, stammen zum grossen Teil aus den Berufen des Gewerbes, des Detailhandels und der persönlichen Dienstleistungen: Ein lernender Elektromonteur erwirtschaftet seinem Lehrbetrieb gemäss offiziellen Zahlen während der vierjährigen Lehrzeit einen Zustupf von 45 000 Fr. (s. Abb.). Auch Lehren für Schreiner, Zimmerleute, Dentalhygieniker, Logistikassistenten und Sanitärmonteure bringen dem Lehrbetrieb über 25 000 Fr. ein. Die kaufmännischen Lehren, die 18% des ganzen Lehrstellenmarktes ausmachen und quer durch alle Branchen verbreitet sind, liegen ebenfalls auf der günstigen Seite. Angesichts der Heterogenität der Betriebe dürfte es aber viele Firmen geben, die keinen Gewinn aus einer KV-Lehre schöpfen. Etwas überraschend finden sich die Coiffeusen und Coiffeure, die schon früh im Betrieb eingesetzt werden können, praktisch auf gleicher Höhe wie die Kaufleute.

Informatiklehrlinge haben einen schweren Stand

Ein ganz anderes Bild zeigt sich bei den Informatikern. Angesichts eines mittleren Kostenüberschusses von über 30 000 Fr. rechtfertigt sich die Informatiklehre nur in einer investitionsorientierten Optik. – Es werden eher Betriebe ausbilden, die sehr spezifische IT-Systeme zu betreuen und zu warten haben und diese Spezialisten auf dem Markt nicht finden. Für die anderen sind die Anreize zu einer längerfristigen Investition und damit einer späteren «Rückzahlung» wohl zu gering, denn der Anteil des betriebsspezifischen Wissens ist tief und der Lehrbetrieb riskiert, die Ausgebildeten nach der Lehre zu verlieren. Das mag ein Hauptgrund dafür sein, dass IT-Lehrstellen seit Jahren ausgesprochene Mangelware sind. Als weitere Schwierigkeit erweist sich, dass kleine IT-Firmen meist hochspezialisiert sind und die geforderte Breite der Ausbildung allein nicht abdecken können.

In die gleiche Kosten-Nutzen-Kategorie fallen die Berufe der Elektroniker und Polymechaniker: Bei diesen klassischen Industrielehren dürfte das Investitionsmotiv noch immer eine erhebliche Rolle spielen, denn grössere Industriebetriebe verfügen meist über interne Arbeitsmärkte und der betriebsspezifische Anteil der Ausbildung ist in der Regel höher.

Die Frage ist nun, ob der Schweizer Lehrstellenmarkt vor allem nach dem Kosten-Nutzen-Kalkül der Lehrbetriebe und damit gemäss produktionsorientiertem Ansatz funktioniert. Der hohe Anteil von beruflichen Ausbildungen, die sich schon während der Lehre auszahlen, legt diesen Schluss nahe. Allerdings erfasst die Statistik wichtige Aspekte wohl nur lückenhaft. Zu denken ist vor allem an das informelle Engagement für die Lehrlinge, das in vielen Kleinbetrieben noch immer verbreitet ist und nicht ausdrücklich verrechnete Zeit darstellt. Die Nettoerträge aus der Lehre werden dadurch überzeichnet. Trotzdem vermögen sie einen gewichtigen Teil der Ausbildungsbereitschaft der Schweizer Unternehmen zu erklären, und die Stärke des Einflusses ist substanziell.

Weitere Informationen zur Berufslehre in der Schweiz finden sie in der Publikation «Die Zukunft der Lehre».