Im Diskussionspapier vom März 2009 zu den Möglichkeiten der Fiskalpolitik bei der Konjunkturstabilisierung stellte Avenir Suisse fest, «dass ein fiskalpolitischer Stimulus in der kurzen Frist zu einer Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage beitragen und so eine Reduktion der Unterauslastung der Produktionsfaktoren bewirken kann». Als Voraussetzung für den Erfolg gelten dabei die «TTT-Kriterien», d.h. der Stimulus muss zeitgerecht (timely), vorübergehend (temporary) und gezielt (targeted) erfolgen.

Der Bundesrat erntete mit seinem Massnahmenpaket von 2008 zu Recht einiges Lob, weil es erstens massvoll, zweitens einigermassen gezielt und drittens je nach Entwicklung der Konjunktur in Stufen ablief. Dieses Lob ist beim jüngsten Hilfsprogramm zur Abfederung der Frankenstärke im Umfang von 870 Mio. Franken vom 31. August 2011 nicht mehr angebracht. Im Gegenteil. Die Landesregierung schien bei dessen Ankündigung von allen guten wirtschafts-und ordnungspolitischen Geistern verlassen zu sein.

Die Konjunktur ist noch intakt

Die heutige Situation kann nicht mit derjenigen von 2008/09 verglichen werden, als sich zur weltweiten Finanzkrise auch noch ein globaler Konjunkturabschwung gesellte. Die Inlandnachfrage ist nach den jüngsten Konjunkturdaten des SECO immer noch recht robust. Hingegen werden die Bremsspuren im Export als Folge des harten Frankens zusehends deutlicher. Dagegen kann der Staat mit seiner Fiskal- und Konjunkturpolitik kurzfristig jedoch wenig ausrichten; gefordert ist in erster Linie die Geldpolitik und erfreulicherweise hat die Schweizerische Nationalbank am 6. September 2011 mit der Festlegung eines Mindestfrankenkurses gegenüber dem Euro von 1.20 entsprechend reagiert.

Unter diesen Umständen hat das bundesrätliche Massnahmenpaket nicht mehr viel Sinn. Analysiert man die einzelnen Massnahmen, stellt man schnell fest, dass sie den wechselkursgeplagten Firmen kaum Entlastung bringen. Am ehesten dürfte dies noch bei den höheren Ausfuhrbeiträgen für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte (Schoggigesetz) zutreffen. Dafür, dass der Löwenanteil des Hilfspakets (nämlich 500 Mio. Franken) im Hinblick auf eine stärkere Nutzung der Kurzarbeit in den Fonds der Arbeitslosenversicherung fliesst, kann man ebenfalls zumindest ein gewisses Verständnis aufbringen.

Schwieriger ist es, die Massnahmen zur Stärkung der KTI bzw. der «Intensivierung des Wissens- und Technologietransfers» unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Denn es besteht die Gefahr, dass durch die Aufweichung der KTI-Kriterien dieses bewährte subsidiäre Instrument der F&E-Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen auf stillem Weg in ein reines Subventionsinstrument transformiert wird. Weil von der KTI zudem nicht alle Branchen gleichermassen profitieren, kann es leicht zu Wettbewerbsverzerrungen und Diskriminierungen führen.

Die Rahmenbedingungen sind entscheidend

Die Schweiz braucht keine staatlich gesponserten Ersatzunternehmen, sondern solche, die ihre Innovationsaufgaben aus eigener Kraft erfüllen können. Dafür sind gute staatliche Rahmenbedingungen nötig, vor allem ein Steuersystem, das Eigen- und Risikokapital gegenüber Fremdfinanzierung nicht benachteiligt. Auch kann man über steuerliche Massnahmen zur indirekten Förderung von F&E nachdenken.

Die kurzfristigen Schwierigkeiten und Strukturprobleme des Tourismus lassen sich hingegen mit zusätzlicher Werbung und der Aufstockung des Bundesdarlehens an die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit kaum beseitigen. Es ist viel eher zu befürchten, dass der dringend nötige Strukturanpassungsprozess einmal mehr hinaus gezögert wird.

Gar nichts mit dem harten Franken zu tun haben die angekündigten Massnahmen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur. Dies zeigt eindrücklich, dass in konjunkturellen Hilfspaketen leider auch immer wieder politische Anliegen Unterschlupf finden, die mit der aktuellen Problemlage gar nichts zu tun haben.

Ordnungspolitisch zu denken geben muss, wie leicht sich der Bundesrat dieses Jahr von aussen unter Druck setzen liess. Das verspricht für die Zukunft nichts Gutes. So verzichtete er bereits Anfang des Jahres wegen des unerwartet grossen Haushaltüberschusses für 2010 auf immer wieder angekündigte und aufgeschobene Aufgabenüberprüfungen. Wenn sogar der Bundesrat die finanzpolitischen Zügel beim kleinsten Anlass lockert, haben Politik und Parlament kaum noch Anreize, sich bei den Ausgaben zurückzuhalten. Schon am 16. Februar liess sich die Landesregierung ein zweites Mal erweichen und kündigte wegen der anhaltenden Frankenstärke «rasch wirksame Massnahmen» in den Bereichen touristische Landeswerbung, Exportrisikoversicherung und Technologieförderung für die Jahre 2011/12 an. Diese blieben bisher erwartungsgemäss ohne Wirkung.

Mit dieser «Pflästerli»-Politik, die mit dem Hilfspaket vom 31. August eine Fortsetzung gefunden hat, werden wenig überzeugende Zeichen ausgesandt. Statt ordnungspolitisches Rückgrat zu zeigen, gibt der Bundesrat zu erkennen, dass er bei konjunkturellen Schwierigkeiten offenbar jederzeit ein offenes Ohr für alle möglichen und unmöglichen Anliegen hat. Hinzu kommt noch der im Mai überhastet angekündigte Ausstieg aus der Atomenergie, der in mehrfacher Hinsicht den Grundsätzen einer marktwirtschaftlichen Energiepolitik widerspricht.

Es ist zu hoffen, dass das Parlament einer derart kurzsichtigen Wirtschaftspolitik bei der Behandlung des Massnahmenpakets vom 31. August 2011 eine Absage erteilt. Denn die schweizerische Volkswirtschaft braucht nicht überhastet beschlossene, konzeptionell unausgegorene Impulsprogramme, sondern eine solide, berechenbare Wirtschafts-und Finanzpolitik, die die richtigen marktwirtschaftlichen Anreize für Innovation, Wachstum und Beschäftigung schafft.