Die Dominanz des «links-grünen» Entwicklungsmodells mit ihrer «Niederdorf-Politik» für die grossen Städte ist aber nicht nur auf politische Einstellungen und Wertehaltungen der urbanen Wählerschaft zurückzuführen oder auf eine Abwanderung bürgerlicher Milieus in die «Agglo». Sie hängt auch damit zusammen, dass es an attraktiven Gegenmodellen mangelt. Bürgerliche Stadtpolitik, wie sie in den letzten Jahren betrieben wurde, scheint bei der urbanen Bevölkerung wenig Anklang zu finden. Woran liegt das?

Ein Hauptgrund dafür ist sicher, dass bürgerliche Parteien ihre politischen Programme aus den Agglomerationen und Landgemeinden – die dort durchaus erfolgreich sind – relativ unbeholfen auf die Städte übertragen, ohne urbanen Gegebenheiten Rechnung zu tragen.  Die politische DNA der bürgerlichen Parteien ist – etwas zugespitzt gesagt – durch traditionelle Werte und Lebensmodelle des ländlichen Raums geprägt, was schlecht kompatibel ist mit dem urbanen Lebensgefühl vieler Grossstädter. Das bürgerliche Lager politisiert dadurch sowohl atmosphärisch als auch inhaltlich an den Bedürfnissen der urbanen Bevölkerung vorbei.

Genossenschaftssiedlung «Kalkbreite» in Zürich, Ikone des «Urban Groove». (Wikimedia Commons)

So passen beispielsweise ein klassisches Rollenverständnis zwischen den Geschlechtern und ein traditionelles Familienbild nicht zur städtischen Sozialstruktur, die durch Singlehaushalte, Doppelverdiener oder Patchworkfamilien geprägt wird. Die Eigenheimbesitzer in der Agglomeration haben andere Erwartungen an die Politik als eine Stadtbevölkerung mit 80–90% Mieterquote. Multikulturalität oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind Aspekte des urbanen «Grooves», der auf der bürgerlichen Seite oft noch ein gewisses Unbehagen auslöst. Das gleiche gilt für umwelt- und klimapolitische Anliegen.

In lokalen Wirtschaftsfragen zeigt sich die ländliche DNA bürgerlicher Stadtpolitik in Form einer Dominanz der gewerblichen Perspektive. Privilegien und spezifische Brancheninteressen werden verteidigt, die Standortpolitik wird häufig auf harte Faktoren reduziert. Volkswirtschaftliche Interessen sind aber gerade in den durch globalisierte Wirtschaftsstrukturen geprägten Metropolen mehr als die Summe betrieblicher Erfordernisse. Ebenso entscheidend für eine erfolgreiche Standortpolitik für
Hightech-Industrien oder innovative Dienstleistungen sind weiche Standortfaktoren wie qualitätsvoller Städtebau oder ein vielfältiges Kulturangebot. Gerade Startup-Unternehmer und die «kreative Klasse» zieht es in Metropolen mit hoher Lebensqualität.

Ähnlich verhält es sich in der Verkehrspolitik. Das Auto mag das Transportmittel der Wahl im ländlichen Raum sein, aber viele Stadtbewohner fahren aus Zeitersparnisgründen lieber mit dem ÖV oder dem Velo. In der Agglomeration politisch erfolgreiche Konzepte, dem wachsenden Autoverkehr mit einem Ausbau der Infrastruktur zu begegnen, sind in der Stadt schon aufgrund der völlig anderen Raumverhältnisse zum Scheitern verurteilt. Auch bleibt die herkömmliche bürgerliche Stadtpolitik im Bereich der Stadtplanung oder der Denkmalpflege oft phantasielos. Entsprechende Bemühungen werden rasch als wirtschaftsfeindlich verworfen oder als planwirtschaftlich abgekanzelt.

Wenn die bürgerlichen Parteien dem dominanten links-grünen Modell für die Schweizer Metropolen eine moderne stadtpolitische Alternative entgegensetzen wollen, müssen sie umdenken. Es gilt, das «Dorf aus ihren Köpfen» herausbekommen. Dass dies möglich ist, zeigen Beispiele von internationalen Grossstädten.

Weiterführende Informationen finden Sie in der Studie «20 Jahre Schweizer Stadtpolitik».