Bisher galten die Energieversorger in den Beteiligungsportfolios der Kantone als eigentliches Tafelsilber. Die europäische Wirtschaftskrise trifft nun aber die im europäischen Markt agierenden Schweizer Stromproduzenten und -händler. Die entstandenen Wertverluste sollten für die Kantone Grund genug sein, ihre Beteiligungsstrategien zu überarbeiten.

Nicht nur die vom Bundesrat angekündigte Energiewende bereitet den Stromproduzenten Schwierigkeiten. Daneben macht sich auch die kritische Lage der europäischen Wirtschaft an den Energiemärkten bemerkbar. Das spüren die kantonalen Verbundunternehmen, die in den internationalen Markt eingebettet sind. Trotz Abschaltung mehrerer Kernkraftwerke in Deutschland verharrte der Strompreis am Spotmarkt auf einem relativ niedrigen Niveau, und auch am Terminmarkt notierten die Preise weit unter jenen von 2008. Kraftwerksüberkapazitäten, die hohe Verfügbarkeit von Gas sowie die wenig dynamische Nachfrage drücken auf die Marktpreise.

Weil auch der Schweizer Strom an den Börsen in Euro gehandelt wird, belastet zudem der starke Franken die Kantonswerke. Daneben dürften einigen Unternehmen ihre Investitions- und Expansionsstrategien im italienischen Markt Sorge bereiten, wo die Wachstumsaussichten weiter trüb sind. Bereits haben Unternehmen wie BKW oder Axpo Kostensenkungsprogramme, Strategieüberprüfungen und mögliche Stellenreduktionen angekündigt.

Unsichere Preise und Investitionsrisiken

Das schwierige Marktumfeld spiegelt sich im Wert der Schweizer Stromversorger. So notierte etwa die BKW-Aktie Mitte September 2011 bei knapp 45 Fr., Anfang Jahr hatte der Kurs noch bei rund 70 Fr. gelegen – und Anfang 2008 sogar einmal bei knapp 160 Fr.. Mitte September 2011 hatte das Aktienpaket des Kantons Bern (52,54% Anteil) damit noch einen Gesamtwert von etwa 1,25 Mrd. Fr., nachdem es Anfang Jahr noch etwa 1,94 Mrd. Fr. und Anfang 2008 sogar 4,44 Mrd. Fr. gewesen waren. Der Wertverlust machte sich beim Kanton bisher praktisch nicht bemerkbar, weil die BKW-Beteiligung mit ihrem Nominalwert von rund 69 Mio. Fr. in den Büchern steht. Nur partiell wurde ausserdem der Wertzerfall der Aktien durch die Ausschüttung einer Dividende kompensiert – diese betrug für den Kanton Bern 2009 und 2010 je 69 Mio., 2008 waren es rund 64 Mio. Fr..

Allen prognostizierten Versorgungslücken zum Trotz bleibt das Energiegeschäft volatil. Die wirtschaftlichen Risiken im Zusammenhang mit Kraftwerksinvestitionen, aber auch neuen Geschäftsmodellen im Energiehandel sowie der internationalen Expansion tragen heute vor allem die Kantone als Mehrheitseigner der Verbundunternehmen. Das bedeutet Klumpenrisiken für Kantonsfinanzen und Steuerzahler. In einem offenen und internationalen Markt sollten solche Risiken jedoch durch private und diversifizierte Aktionäre getragen werden. Der Staat sollte nicht als Investor, sondern als Gestalter der Rahmenbedingungen in Erscheinung treten.

Strategie überprüfen

Die Kantone verfolgen aber mit ihren Beteiligungen an den Stromversorgern häufig nicht nur wirtschaftliche Ziele, sondern versuchen, eine eigenständige Energiepolitik zu betreiben. Weil die Energiemärkte auf nationaler und internationaler Ebene reguliert werden, können sie das nur über eine direkte Beeinflussung der Unternehmensstrategie tun, was allerdings kaum zum Erfolg der Unternehmen beiträgt: Politisch motivierte Kraftwerksstrategien und Organisationsstrukturen, die sich weniger an den betrieblichen Bedürfnissen als an den föderalen Beteiligungsverhältnissen orientieren, behindern nicht nur die Effizienz, sondern auch das Funktionieren des Marktes.

Die Marktliberalisierung, die vom Bundesrat angekündigte Energiewende sowie die zunehmenden wirtschaftlichen Unsicherheiten und Risiken bei den Kraftwerksinvestitionen sollten für die Kantone Grund genug sein, über eine Veräusserung ihrer Beteiligungen nachzudenken.