Im Schweizer Berggebiet bilden die Talschaften natürliche  räumliche Einheiten – mit gemeinsamer Infrastruktur sowie vielfältigen Verflechtungen sozialer und wirtschaftlicher Natur. Es gibt aber auch ein weit verbreitetes Problem: Meist  sind diese funktionalen Räume durch mehrere Gemeindegrenzen zerstückelt und die Gemeinden arbeiten dabei häufig eher gegen- als miteinander. Die Folgen sind ineffiziente Verwaltungsstrukturen, eine mangelnde Koordination von Siedlungs- und Verkehrsentwicklung sowie Nutzungskonflikte entlang des Talbodens, wo sich Landwirtschaft, Gewerbe, Infrastruktur und Siedlungen konzentrieren.

Eine naheliegende Lösung dieses Problems ist der Zusammenschluss mehrerer Gemeinden zu einer Talgemeinde – und genau diese Entwicklung ist zunehmend zu beobachten:

  • In Graubünden kam es in jüngster Zeit zu zwei Talschaftsfusionen: 2009 schlossen sich die sechs Gemeinden des Münstertals und 2010 sechs Gemeinden des Bergells zu Talgemeinden zusammen. In beiden Fällen entsprechen die neuen Einheiten den historischen Kreisen.
  • Im Wallis fusionierten 2009 die sechs Gemeinden des Val d’Anniviers.
  • Im Neuenburger Jura schlossen sich im selben Jahr neun Gemeinden zur Gemeinde Val-de-Travers mit rund 11‘000 Einwohnern zusammen. Ende November 2011 befürworteten die Stimmbürger der 15 Gemeinden im Val-de-Ruz (ebenfalls NE) den Zusammenschluss zu einer einzigen Talschaftsgemeinde, die ca. 16‘000 Einwohner zählen wird.
  • Der Bergkanton mit den bisher meisten Talschaftsfusionen ist das Tessin. Ein halbes Dutzend mit über 30 beteiligten Gemeinden wurde schon vollzogen, weitere (teilweise in denselben Tälern, aber mit erweitertem Fusionsperimeter) sind in Planung.
  • Doch auch im Mittelland finden sich Beispiele: In Schaffhausen schlossen sich 2009 vier kleinere Nachbarn der Gemeinde Thayngen an. Im Aargau bildeten Anfang 2010 fünf Gemeinden die neue Talgemeinde Mettauertal, die flächenmässig nun die grösste Gemeinde des Kantons ist.

Durch Talschaftsfusionen werden natürliche funktionale Räume und politische Einheiten wieder besser zur Deckung gebracht. Die Strukturbereinigung betrifft nicht nur die politischen Gemeinden, sondern auch die interkommunale Zusammenarbeit, die besonders in Talschaften als Ersatz für Gemeindefusionen, aber auch als deren Wegbereiter fungiert.

So konnte im Kanton Tessin die Zahl der Zweckverbände zwischen 2001 und 2011 hauptsächlich durch Gemeindefusionen von 110 auf 74 verringert werden, und auch die Talschaftsfusion im Val-de-Travers ging mit der Auflösung mehrerer Gemeindeverbände einher.

Gerade am Beispiel des Val-de-Travers zeigt sich, welches Potenzial in solchen Fusionen steckt. Das Tal, das lange Zeit hauptsächlich für seine Absinth-Produktion bekannt war, erlebt zurzeit einen wahren Wirtschaftsboom. Die Schaffung einer Industriezone nationaler Bedeutung erlaubt die Ansiedlung vieler gewichtiger Namen der Uhrenindustrie. Unterdessen nennt man das Val-de-Travers schon «die vierte Stadt» des Kantons (neben La-Chaux-de-Fonds, Neuchâtel und Le Locle).

Als Gründe für solche Talschaftsfusionen werden meist fehlende Entwicklungsmöglichkeiten, finanzielle Probleme und der Mangel an fähigem Milizpersonal genannt. Ohne die administrative und  finanzielle Unterstützung durch den Kanton wäre aber kaum eine dieser Fusionen zustande gekommen. Im «Kantonsmonitoring 4», das Ende März erscheint, wird Avenir Suisse die Rolle der Kantone bei der Optimierung von Gemeindestrukturen ausführlich diskutieren.