Haushaltsüberschüsse und Haushaltsdefizite der 17 Euro-Länder

Die jüngsten Erfahrungen in der EU haben wieder in Erinnerung gerufen, dass staatliche Finanz- und Schuldenkrisen dem marktwirtschaftlichen System gleichsam inhärent sind. Allein im letzten Jahrhundert hat es nach Angaben von C. Reinhart/K. Rogoff und dem Internationalen Währungsfonds weltweit über 130 Staatsschuldenkrisen und Staatspleiten gegeben. Diese sind wohl der Preis für die grosse Dynamik und Effizienz des kapitalistischen Wirtschaftssystems.

Der Begriff der Fiskalunion ist in der aktuellen Debatte um die Bewältigung der Staatsschuldenkrise in der EU zu einem geflügelten Wort geworden. Dabei sucht man ihn selbst in führenden volkswirtschaftlichen Lehrbüchern wie demjenigen von N.G. Mankiw oder im «Glossar Finanzpolitik von A-Z» des Eidgenössischen Finanzdepartements vergebens.  Deshalb  ist der Begriff alles andere als klar, so dass jeder etwas anderes darunter zu verstehen scheint.

Die EU setzt auf nationale Finanzsouveränität mit Leitplanken

Unter einer Fiskalunion im eigentlichen und strengen Sinn des Wortes wird in aller Regel ein Verbund mehrerer Länder mit einer gemeinsamen Währung und einer gemeinsamen Ausgaben-und Steuerpolitik verstanden, verbunden mit einem staatsübergreifenden Finanzausgleich zur Beseitigung regionaler und konjunktureller Ungleichgewichte. Gemäss dieser Definition erfüllen die jüngsten Beschlüsse und Massnahmen der EU die Kriterien einer Fiskalunion (noch) nicht. Die nationale Haushaltssouveranität bleibt im Kern erhalten, auch wenn gewisse Vorgaben sie einschränken. So verfolgt das seit Anfang Jahr in Kraft stehende «Six-Pack» im Rahmen des Stabilitäts-und Wachstumspakts drei Stossrichtungen: eine bessere Haushaltskontrolle durch die Einführung des «Europäischen Semesters», ein verschärftes  Defizitverfahren und eine strengere makroökonomische Überwachung.

Mit dem am 2. März 2012 unterzeichneten Abkommen über den sogenannten «Fiskalpakt» verpflichten sich die EU-Staaten (mit Ausnahme von Grossbritannien und Tschechien) ausserhalb des EU-Rechts auf die Einführung einer vom Europäischen Gerichtshof kontrollierten nationalen Schuldenbremse, auf die Einhaltung einer jährlichen Obergrenze des  strukturellen Defizits von  0,5% des nominalen Bruttoinlandprodukts (BIP) und einer Gesamtverschuldung von 60% der Wirtschaftsleistung sowie auf eine umgekehrte qualifizierte Mehrheit. Noch fehlt eine strenge staatliche Insolvenzordnung als wesentliche Unterstützung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, wie sie vor allem von wissenschaftlicher Seite gefordert wird.

Immer die gleichen Musterschüler

Gemäss Paul G. Schmidt von der Universität Frankfurt am Main gab es stets Staaten, die in den vergangenen 200 Jahren nie gravierende Schuldenprobleme hatten. Interessanterweise seien es fast ausnahmslos die gleichen, die auch in der aktuellen Schuldenkrise die besten Bonitätsnoten erhielten, nämlich Schweden, die Niederlande, Neuseeland, Australien, Kanada und die Schweiz. Das zeigt, dass unabhängig von der Diskussion über das Für und Wider einer Fiskalunion kein Weg an einem gesunden Staatshaushalt, einem tiefen Schuldenstand und einem vernünftigen Steuersystem vorbeiführt.

Lesen Sie morgen, ob die Schweizer Fiskalunion der EU ein Vorbild sein könnte.