Nachdem die Kabelnetzbetreiberin Cablecom angekündigt hat, ihren Kunden künftig digitale Fernsehkanäle unverschlüsselt und ohne Zusatzgerät anzubieten, hat auch die Swisscom reagiert. Das Unternehmen bietet seinen Kunden mit DSL-Internet-Abo zusätzlich kostenloses digitales TV. In beiden Fällen handelt es sich um ein Grundangebot mit einem standardisierten Bündel von TV-Programmen. Konsumenten mit einem leistungsstarken Anschluss ans Internet können künftig ohne Zusatzkosten digital fernsehen. Doch das ist nicht nur die Folge eines vermeintlich schärferen Wettbewerbs zwischen den etablierten Telekomanbietern wie Cablecom, Swisscom und Sunrise. Vielmehr drängen ganz neue, unabhängige Anbieter in den Markt, die sich den technischen Fortschritt zunutze machen. Etwas vereinfacht gesagt, wurden die Telekomunternehmen Opfer ihres eigenen Erfolgs. Leistungsfähigere Netze und Übertragungstechnologien machten es ihnen möglich, ein wachsendes Bündel an Mehrwertleistungen anzubieten. Dazu gehören vor allem Triple-Play-Produkte, also Telefonie, Fernsehen und Internet. Doch diese Dreiteilung ist theoretisch. Denn aus den Fernsehkabel- und Telefonnetzen wurden im Grunde universelle Datenübertragungsnetze. Auf Basis des Internetprotokolls lassen sich darauf alle Leistungen anbieten. Diese technische Standardisierung ist für die Telekomanbieter Segen und Fluch zugleich. Zwar wächst die Attraktivität der Netze, doch schafft sie umgekehrt mehr Konkurrenz bei den Diensten, die darüber angeboten werden. Alleine mit dem Zugang zum Internet erhalten die Kunden die Möglichkeit, Telefonie oder TV bei unabhängigen Dritten zu beziehen.

Schwierige Produktdifferenzierung

Schon seit geraumer Zeit können daher auch Schweizer Konsumenten alleine mit ihrem Internetzugang digital fernsehen. Web-TV-Anbieter wie Zattoo, Wilmaa oder Teleboy bieten ähnlich wie Swisscom, Cablecom oder Sunrise ein Grundangebot an Sendern an. Daneben stellen die Sender ihrerseits Videoportale mit ihrem Programm zur Verfügung. Solche vom Kabel- bzw. Telekomnetz unabhängigen internetbasierten Angebote waren bislang eher eine Art Nischenprodukt, da sie primär über den Computer konsumiert wurden. Nun allerdings werden die TV-Geräte internetfähig, was die Bedienung und den Zugang zu den unabhängigen Angeboten im Web attraktiver macht. Dadurch verändern sich nicht nur die Strukturen im Markt, sondern auch die Wettbewerbsintensität. Unabhängige Web-TV-Anbieter kooperieren etwa mit Herstellern elektronischer Geräte, um sich den Zugang zu den Endkunden zu sichern (z.B. Teleboy und Samsung). Vor allem aber erleichtert das Internet den Markteintritt, nicht nur für nationale sondern auch für internationale Anbieter wie Youtube, die mit innovativen Modellen und eigenen Inhalten in den Web-basierten TV-Markt expandieren. Gleichzeitig profitieren sie von ungleich grösseren Skaleneffekten, was ihnen im Wettbewerb mit lokalen Anbietern einen Vorteil verschafft.

Warum sollten die Konsumenten künftig noch das TV-Produkt ihres Telekomanbieters nutzen? Erstens könnten diese versucht sein, das Angebot dritter im Netz durch technische Massnahmen zu stören oder gänzlich zu unterdrücken. Ein solches Verhalten ist vor allem dann wettbewerbsrechtlich kritisch, wenn die Konkurrenz zwischen den Telekomnetzen nicht oder nur beschränkt funktioniert. Andernfalls können die Kunden denjenigen Netzanbieter wählen, der ihnen grössere Freiheit im Internet gewährt. Zweitens könnten die Telekomunternehmen ihr eigenes TV-Angebot mit Mehrwertleistungen differenzieren. Doch das geschieht schon heute und wird auch von den Web-TV-Anbietern betrieben. Beispielsweise lassen sich bei Zahlung eines Aufpreises weitere Dienste konsumieren, etwa zusätzliche Kanäle, Replay- und Aufnahmefunktionen, Speicherplatz, Zappen ohne zusätzliche Werbung, höhere Bildqualität etc. Eine eigentliche Produktdifferenzierung wird daher immer schwieriger. Vor allem aber sind mit solchen Leistungen keine Grenzkosten verbunden. Sie können weiteren Kunden ohne zusätzliche Kosten angeboten werden. Je homogener das vertriebene Produkt und je schärfer der Wettbewerb ist, desto eher tendieren auch die Preise gegen null. Am ehesten gelänge eine Produktdifferenzierung über die Bereitstellung von exklusivem Inhalt.

Konkurrenz zwischen Medien- und Telekombranche

Das Engagement der halbstaatlichen Swisscom bei den Schweizer Fussball- und Eishockeyübertragungsrechten über ihre Beteiligung an Cinetrade weist in diese Richtung. Doch weiten die Telekomanbieter ihr Geschäftsmodell in Richtung Inhalte (Content) aus, werden sie vermehrt Konkurrenten der Medienunternehmen. Denn auch diese sind auf exklusiven Inhalt angewiesen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Das gilt umso mehr, als dass das Internet auch die Verlagsbranche umkrempelt. Interessanterweise sind die Herausforderungen ähnlich wie im Telekommarkt: Das Internet hat einen neuen, effizienteren Zugang zum Kunden geschaffen. Und dieser kann inzwischen die Inhalte besser und bequemer über sein mobiles Endgerät konsumieren. Mit dieser Entwicklung droht den Zeitungsverlagen eine Ertragserosion. Erstens ist im Internet der Wettbewerb schärfer, da die Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter tiefer sind. Zweitens sind beim Online-Angebot – jedenfalls bislang – die Werbeerträge weniger üppig als bei den Printprodukten, da Werbebotschaften von den Nutzern weniger wahrgenommen werden, oder sogar unterdrückt werden können. Und drittens lassen sich Bezahlangebote (z.B. Paywall) nur schwer durchsetzen. Nicht zuletzt wegen der grossen Konkurrenz im Internet ist auch die Preiselastizität der Internetnutzer extrem hoch. Ähnlich wie beim Web-TV sind die Grenzkosten der Belieferung eines zusätzlichen Kunden null. Im Falle eines homogenen Angebots (z.B. Zur-Verfügung-Stellung standardisierter News von Nachrichtenagenturen) wird auch der Preis gegen null tendieren. Die Medienunternehmen müssten im Internet schon sehr differenzierte und hochwertige Angebote haben, um bei den Kunden (und damit auch bei den Werbern) eine Zahlungsbereitschaft zu wecken. Eine Möglichkeit zur Aufwertung des Online-Angebots besteht darin, Texte durch exklusive Audio- und Visio-Beiträge zu ergänzen. Damit expandieren die Unternehmen ihrerseits in den Bereich des Web-TV. Die Kooperation zwischen Tagesanzeiger und Zattoo ist ein Beispiel dafür. Die häufig postulierte «Konvergenz», welche das Internet möglich macht, wird langsam Realität – auch bei den Geschäftsmodellen.