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Voraussichtlich 2015 oder 2016 wird die Schweiz darüber abstimmen, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) die heutigen Systeme der sozialen Sicherung ablösen soll. Um was geht es konkret?

Der Staat soll jedem volljährigen Einwohner der Schweiz monatlich 2500 Franken, jedem minderjährigen (bzw. seinem Vormund) 625 Franken auszahlen. Die Transfers wären an keinerlei Bedingungen, etwa Bedürftigkeit oder Arbeitsbemühungen, geknüpft. Veranschlagte jährliche Kosten: 200 Mrd. Franken, wovon, abhängig von der exakten Ausgestaltung, 60 bis 70 Mrd. Franken die Auszahlungen der bisherigen Sozialversicherungen ersetzen sollen.

Das BGE wird von den Urhebern der Initiative als «neue Form des Denkens» verkauft, also in einen philosophischen Kontext gesetzt. Wer der Idee etwas abgewinnen kann, darf sich ein wenig avantgardistisch fühlen. Und so glänzen gewisse BGE-Verfechter mit Sätzen wie «Das Grundeinkommen ist ein Impuls zur Bewusstseinserweiterung in Zusammenhang mit dem jetzigen Geldsystem». Pardon: derartiger Mumpitz mag Teil einer Werbestrategie sein, nimmt aber auch sektiererische Züge an. Bedenklicher ist aber vor allem das Gerücht, das BGE sei eine Idee, die für mehr Eigenverantwortung und individuelle Wahlfreiheit sorge. Drei oft gehörte Argumente dafür halten einer genaueren Betrachtung nicht stand:

«Das BGE ist mit der von Milton Friedman, immerhin einem Leuchtturm der Liberalen, einst vorgeschlagenen negativen Einkommenssteuer verwandt»

Auch liberale Vordenker können zuweilen Ideen haben, die nicht zur Ausweitung der persönlichen Freiheit führen. Friedman vorzuschieben, taugt nicht als Beweis, dass das BGE liberal ist. Die negative Einkommenssteuer war zudem in der Mehrheit ihrer Testanordnungen durchaus an den Nachweis gewisser Arbeitsbemühungen gebunden, also nicht bedingungslos, und garantierte zudem eher ein physisches als ein soziokulturelles Existenzminimum.

«Das BGE ermöglicht die Abschaffung der aufwendigen Sozialversicherungsbürokratie»

Eine schlanke öffentliche Verwaltung ist gut und recht. Volumenmässig fallen die Verwaltungskosten der Sozialversicherungen relativ zur Höhe der Transfers indes kaum ins Gewicht (siehe Abbildung). Sie belaufen sich bei Gesamtausgaben von gegen 70 Mrd. Franken auf höchstens 3 Mrd. Franken, wobei hier auch die administrativen Kosten für Wiedereingliederungsprogramme, Rechtshilfe, Familienbeihilfen, Jugendhilfen u.ä. berücksichtigt sind. Bei der Verwaltung 3 Mrd. Franken einzusparen, indem dafür die Transfers per Giesskannenprinzip von 70 auf 200 Mrd. Franken ausgedehnt werden, ist keine Aufwandreduktion. Zweitens räumen die BGE-Verfechter unterdessen ein, dass eine Fortführung der bisherigen Sozialversicherungen (unter Anrechnung der BGE-Zahlungen) nötig ist, damit das BGE für die wirklich Arbeitsunfähigen nicht einen drastischen Sozialabbau bedeutet.

«Das BGE erlöst vom Zwang zur Erwerbsarbeit. Zwänge sind unliberal, folglich ist das BGE liberal»

Diese Gleichung krankt an einer drastischen Begriffsverwirrung: Schon heute existiert keinerlei Zwang zur Arbeit. Es existiert einzig ein «Zwang», die finanziellen Folgen der Arbeitsverweigerung selbst zu tragen. Diesen abzuschaffen, hat mit Liberalismus nichts zu tun, denn in dieser Idee paart sich Freiheit immer mit Eigenverantwortung. Letztere kann gar nicht nachhaltiger geschwächt werden, als wenn einem der Lebensunterhalt von der Wiege bis zum Grab vom Staat garantiert wird. Ein oft gehörter Einwand: es sei ein Maximum an Eigenverantwortung gefordert, sich in einer BGE-Welt trotz fehlender Notwendigkeit noch genügend um die eigene geistige und soziale Entwicklung zu kümmern. Mit Eigenverantwortung ist aber die Forderung gemeint, sich – so man denn dazu fähig ist – seinen Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften, also nicht von den Transfers anderer abhängig zu sein. Die Selbstverantwortung für die persönliche Entwicklung besteht hingegen ohnehin, in einer BGE-freien Welt genauso wie in der BGE-Welt.

Das BGE schafft also weder mehr Wahlfreiheit noch stärkt es die Eigenverantwortung. Stattdessen bedeutet es einen immensen Ausbau von Transferleistungen, der zudem ausschliesslich jenen hilft, die sich auch selbst helfen könnten.

Dieser Artikel erschien im «Schweizer Monat» vom April 2014.