Lenkungssteuern und handelbare Emissionszertifikate gelten bei Ökonomen als bevorzugte Instrumente in der Umweltpolitik. Sie steuern die Massnahmen zur Reduktion der Umweltbelastung marktnahe über den Preis, während bei rigiden Verboten und technologiespezifischen Subventionen vielfältige Marktverzerrungen resultieren. Es ist daher zu begrüssen, wenn sich eine politische Partei für die Abschaffung von Subventionen wie der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) einsetzt, und diese durch ein marktnäheres Lenkungssystem ablösen will. Bei genauerer Betrachtung weist aber auch der FDP-Vorschlag einer CO2-Lenkungssteuer erhebliche Schwächen auf. Diese hängen mit der fehlenden Kongruenz zwischen Marktgebiet und Steuerhoheit zusammen: Während der Strommarkt aufgrund des hohen Anteils Importen und Exporten ausgeprägt international ausgerichtet ist, kann der Schweizer Fiskus eine CO2-Abgabe nur im Inland, oder bestenfalls an der Grenze als eine Art Zoll, erheben.

Versechsfachung des Strompreises

CO2-Lenkungssteuern erhöhen die variablen Kosten der Stromproduktion fossiler Kraftwerke. Weil diese üblicherweise die Preise an der Strombörse bestimmen, profitieren davon auch die CO2-armen Technologien, da sich ihre Ertragsmöglichkeiten am Markt verbessern. Neu ist der Vorschlag einer CO2-Steuer nicht. In Europa existiert bereits seit 2005 ein System mit einem grenzüberschreitenden CO2-Zertifikatehandel. Die Schweiz ist faktisch in dieses System eingebunden: Weil sie über den Handel die Preise der Nachbarländer übernimmt, schlagen sich die Kosten der CO2-Zertifikate im inländischen Preisniveau nieder. Doch mit der Wirtschaftskrise und der Förderung erneuerbarer Energien hat das europäische Lenkungssystem an Bedeutung verloren. Die tiefen Zertifikatspreise entfalten keine lenkende Wirkung mehr. Der Vorschlag der FDP möchte dies korrigieren, indem die Schweiz unabhängig von Europa eine CO2-Steuer implementiert. Natürlich hätte eine einseitige Lenkungssteuer gravierende Verzerrungen im Stromhandel zur Folge: Für inländische Verbraucher wäre es vorteilhaft, den Strom bei fossilen Kraftwerken im Ausland zu beschaffen, die keiner oder einer tieferen Steuer unterliegen.

Um dies zu verhindern, sieht der FDP-Vorschlag ergänzend die Erhebung einer Lenkungssteuer auch auf Stromimporten vor. Es ist jedoch schwierig, diese nach ihrem CO2-Gehalt zu differenzieren, schliesslich wird ein Grossteil der Transaktionen über die Börse abgewickelt, wo die «grüne Qualität» nicht erkennbar ist. In einer einfachen Variante könnte daher auf allen Importen die Lenkungssteuer pauschal erhoben werden – die CO2-Steuer an der Grenze würde faktisch zu einem Zoll. Sowohl die Lenkungssteuer auf inländische CO2-Emissionen als auch die «Importzölle» erhöhen die marginalen Kosten von Produzenten bzw. Stromhändlern. Die Steuern schlagen sich daher direkt in einem höheren Preisniveau im schweizerischen Stromgrosshandel nieder (ganz im Gegensatz zu jenen Gebühren, die direkt bei den Endverbrauchern erhoben werden). Damit tatsächlich Investitionsanreize resultieren, müssen die Grosshandelspreise deutlich über ihr bisheriges Niveau ansteigen. Schliesslich werden neue Wasserkraftwerke und PV-Anlagen erst dann gebaut, wenn der Marktpreis mindestens etwa ihre Durchschnittskosten deckt. Heute werden PV-Anlagen im Rahmen der KEV mit rund 170 bis 300 CHF/MWh subventioniert, die vom Bundesamt für Energie geschätzten Gestehungskosten beim Ausbau der Grosswasserkraft liegen etwa zwischen 70 und 300 CHF/MWh (im Durchschnitt bei rund 140 CHF/MWh). Zum Vergleich: der mittlere Schweizer Grosshandelspreis lag 2013 bei nur 55 CHF, der deutsche bei 47 CHF.

Damit Investitionsanreize für PV und Grosswasserkraft im Inland entstehen, müsste die Lenkungssteuer so hoch bemessen sein, dass der Schweizer Strompreis um etwa 100 bis 250 CHF/MWh ansteigt. Die Höhe der Lenkungssteuer und des pauschalen «Zolls» lassen sich aber nicht direkt daraus ableiten. Ob und wie die Steuer das schweizerische Preisniveau beeinflusst, hängt vom Umfang der inländischen fossilen Erzeugung sowie der Importe ab. Weil an der Strombörse das letzte relevante Angebot preisbestimmend ist, kann sich die Lenkungssteuer schon bei wenigen Importen oder einer geringen fossilen Stromproduktion im Inland als grosser Preisaufschlag niederschlagen. In Perioden mit einem inländischen Überangebot erneuerbarer Energien und Kernkraft (v.a. im Sommer) würde dagegen eine Exportsituation resultieren, während der die Schweizer Preise auf das tiefere ausländische Preisniveau fallen – dann hätte die Lenkungssteuer keinen Einfluss auf den Schweizer Grosshandelspreis.

Windfall-Profite und Wettbewerbsverzerrungen

Die Schwierigkeit der Steuerfestlegung stellt das geringste Problem des Ansatzes dar. Viel gewichtiger sind die damit verbundenen Investitions-, Produktions-, Handels- und Wettbewerbsverzerrungen:

  • Sonder-Profite: Weil sich die Lenkungssteuer in den Grosshandelspreisen niederschlägt, würde nicht nur der Ausbau CO2-armer Energien gefördert, sondern auch die Ertragskraft der Bestandesanlagen. Dafür gibt es weder aus wirtschaftlicher noch ordnungspolitischer Sicht gute Gründe – die «künstlich» höheren Preise würden sogenannte Windfall-Profite bescheren, die von den Verbrauchern über höhere Energietarife finanziert werden. Die vorgesehene Rückerstattung der Einnahmen aus der Lenkungssteuer könnte dies nur zu einem kleinen Teil kompensieren. Denn bei hoher Eigenversorgung und einem geringen Anteil fossiler Energie im Inland entstehen keine relevanten Steuereinnahmen – dann erhalten die Verbraucher auch keine relevante Rückerstattung. Für Schweizer Verbraucher wäre dies tendenziell noch teurer als die KEV, die wenigstens nur Neuanlagen subventioniert.
  • Handels- und Wettbewerbsverzerrung: Im Falle einer undifferenzierten Lenkungssteuer auf Importe würde ausländische, CO2-arme Stromproduktion gegenüber inländischer diskriminiert. Dieser «Heimatschutz» wäre mit den Regeln des freien Handels kaum vereinbar. Alternativ könnte die Besteuerung an der Grenze nach CO2-Gehalt differenzieren. Um jede Diskriminierung zu vermeiden, müssten etwa Importe von Strom aus Gaskraftwerken weniger belastet werden als jene von Kohlekraftwerken. Eine solche Differenzierung ist im Kontext des wachsenden Stromhandels über anonyme Börsen schwer umzusetzen. Eine vereinfachende Lösung bestünde darin, Importe erneuerbarer Energie gänzlich zu befreien. Händler müssten Herkunftsnachweise (HKN) vorlegen, die zu einer Ausnahme oder Rückvergütung berechtigen. Weil in der Praxis Energie und HKN separat gehandelt werden (Link), dürfte es sich bei den Importen um Graustrom handeln, die aber mit HKN gedeckt werden. Weil erneuerbare Energien (v.a. Wind) im Ausland tendenziell geringere Gestehungskosten aufweisen, nehmen nun aber die Anreize zu, diese vor allem im Ausland auszubauen und zu importieren. Das ist zwar sinnvoll, doch vermutlich keine Absicht des FDP-Vorschlags.
  • Falsche Produktions- und Investitionsanreize: Schweizer Anbieter werden ihre Produktions- und Investitionsentscheide in erster Linie am kleinen inländischen Markt mit seinem künstlich hohen Preisniveau ausrichten. Dies geht mit zwei Verzerrungen einher: Einerseits vermittelt ein (zu) hohes schweizerisches Preisniveau ständig Produktionsanreize, selbst während Perioden mit einem Stromüberangebot in Europa. Auch wenn sich im Ausland das Preisniveau kurzfristig bei null einpendelte, würde der inländische Strompreis auf der Höhe der an der Grenze erhobenen Lenkungssteuer verbleiben. Dadurch hätten Schweizer Kraftwerksbetreiber anhaltende Produktionsanreize – was die Überschusssituation verschärfen würde. Anderseits wäre es für Schweizer Kraftwerksinvestoren strategisch vorteilhaft, Produktion und vor allem Investitionen so zu planen, dass möglichst häufig Importsituationen entstehen. Nur dann nämlich würde die Lenkungssteuer den Grosshandelspreis beeinflussen – und dadurch die Preise und die Erträge maximieren. Unsinnigerweise könnte das Steuersystem dazu führen, dass zu wenig in die inländische Versorgungssicherheit investiert würde.
  • Behinderung des Market Coupling: Die Schweiz-spezifische Lenkungssteuer lässt sich kaum mit den Instrumenten für eine effizientere Bewirtschaftung der knappen Grenzkapazitäten im Übertragungsnetz kombinieren. Beim sogenannten «Market Coupling» werden Netze und Energie gemeinsam gehandelt (siehe auch «Handel gibt es auch ohne bilaterales Stromabkommen»). Zu diesem Zweck werden an einer Strombörse sämtliche Gebote für den Kauf und Verkauf von Energie aus verschiedenen Ländern gesammelt. Ein zentrales System berechnet – unter Berücksichtigung von Handelsbeschränkungen im Netz – landesspezifische (oder zonale) Preise. Eine eindeutige geografische Zuweisung und qualitative Einordnung des angebotenen und nachgefragten Stroms lässt sich in diesem anonymen Börsenhandel nicht mehr realisieren – jedenfalls nicht ohne immensen administrativen Aufwand. Als einfache Lösung könnte sich anbieten, sämtliche über Börsen abgewickelte Transaktionen mit der Steuer zu belegen. Das aber würde die Liquidität an der Börse reduzieren und die Effizienz des Stromhandels als Ganzes schwächen. Dies wäre auch ein Nachteil für die Erneuerbaren, die wegen ihrer fluktuierenden Produktion besonders auf den kurzfristigen Handel angewiesen sind.

Mindestens theoretisch ist die Lenkungssteuer das effizienteste Modell zur Reduktion des CO2-Ausstosses und zur Förderung von CO2-armen Technologien. Doch weil der Schweizer Strommarkt klein und handelsorientiert ist, hätte eine einseitige Implementierung im Inland erhebliche Marktverzerrungen und Nachteile für die Schweizer Verbraucher zur Folge. Avenir Suisse hat deshalb in einem neuen «avenir standpunkte» mit dem Titel «Grundlegende Reform der KEV» ein Quotenmodell als «zweitbeste Alternative» vorgeschlagen.