Am 18. Mai haben zwei Kantone über ihre Energiepolitik abgestimmt. Im Kanton Bern stand die sofortige Abschaltung des Kernkraftwerks Mühleberg zur Diskussion, im Kanton Neuchâtel ging es um die aktive Förderung von Windkraftanlagen. Im Zentrum der Diskussion steht stets die Frage der Nachhaltigkeit. Auch im Rahmen der Energiestrategie 2050 des Bundesrates werden im Namen einer nachhaltigen Umweltpolitik Massnahmen vorgeschlagen, die eine Lenkung des Energiemarkts anstreben und immer stärker die Benutzung bzw. Verbannung einzelner Technologien vorgeben wollen.

Doch nachhaltig ist eine «Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen», so eine gängige Definition. Dabei sollte nicht nur der Ressourcenverbrauch, sondern auch der Handlungsspielraum kommender Generationen im Zentrum stehen. Technologievorgaben verletzen diese Nachhaltigkeitsdefinition in mehrfacher Hinsicht.

Technologievorgaben oder -verbote spiegeln die Präferenz der heutigen Generation gegenüber einem bestimmten Risiko und stützen sich auf den heutigen Wissensstand. Verbote behindern, dass Technologien verbessert werden: die Reduktion ihrer Risiken, ihre Kostenoptimierung und allfällige Nutzenverbesserungen.

Subventionen von Technologien sind weniger radikal als Technologievorgaben, weil sie lediglich den Anreiz zum Konsum gewisser Technologien schaffen, ohne Marktteilnehmer per Dekret aus ihrem Geschäft zu verdrängen. Die langfristigen Effekte sind dennoch vergleichbar. Erstens fördern Subventionen die Optimierung von Subsystemen anstelle des Gesamtsystems. So wird ein Hauseigentümer eher seine Energierechnung mittels einer subventionierten Solaranlage reduzieren als durch eine selbstfinanzierte Erneuerung der Hausisolation. Zweitens lenkt die durch Subvention induzierte Nachfrage beim Endkonsumenten Investitionsgelder der Produzenten künstlich in einzelne Sektoren. Darunter leidet die Entwicklung anderer (Umwelt-)Technologien. Es entstehen Pfadabhängigkeiten, die die Entscheidungsfreiheit künftiger Generationen einschränken.

Aus Sicht einer nachhaltigen Umweltpolitik müssten deshalb solche Pfadabhängigkeiten verhindert oder zumindest minimiert werden. Ziel ist deshalb eine Umweltpolitik, die Ressourcenverschwendung eindämmt, ohne dabei den Handlungsspielraum künftiger Generationen einzuengen.

Das ist zum Beispiel beim Emissionshandel von CO2-Zertifikaten der Europäischen Union der Fall. Bei einem solchen Mechanismus wird lediglich das Ziel, die maximale CO2-Produktion, nicht der Weg zum Ziel vom Staat vorgegeben. Die Marktteilnehmer wählen die Lösung, die für ihre spezifische Situation die grössten CO2-Ersparnisse oder die niedrigsten Kosten verursacht. Dieser dezentrale Ansatz nützt das Wissenspotential aller Marktteilnehmer aus, die in der Regel bessere Kenntnisse bezüglich ihrer Vermeidungsoptionen haben als der Staat. Damit wird eine optimale Zuweisung finanzieller und menschlicher Ressourcen sichergestellt. Im Gegensatz zu Subventionen einzelner Technologien ermöglicht dieser Ansatz es, den Ausstoss von Schadstoffen entlang der gesamten Produktionskette zu optimieren.

In der Praxis hat der CO2-Zertifikatehandel an Bedeutung verloren viele Länder setzen auf eine direkte Förderung von erneuerbaren Energien. Dabei kann ein Quotenmodell als eine Art «zweitbeste» Lösung angesehen werden. Diese verpflichtet Energieversorger pauschal, einen Teil ihres Bedarfs durch erneuerbare Energieträger zu decken. Es überlässt jedoch den Unternehmen, die für sie passende technische Lösung auszuwählen. Wettbewerb zwischen den Technologien steuert dann die Struktur der Investitionen. Ähnlich jedoch nicht ganz so ausgeprägt wie beim CO2-Zertifikatehandel wird keine Technologie systematisch vorgezogen oder benachteiligt. Schliesslich sollen auch bei Investitionen nachhaltige Grundsätze gelten und Geldressourcen schonend verbraucht werden. Umso mehr, wenn damit der Spielraum künftiger Generationen erhalten bleibt.

Jérôme Cosandey wird Anfang Juli  ein Buch über die Zukunft des Generationenvertrags veröffentlichen.

Dieser Artikel erschien im «Schweizer Monat» vom Juni 2014.
Mit freundlicher Genehmigung des «Schweizer Monat».