Dem Stimmvolk hat sie gar nicht geschmeckt, die Initiative «Schluss mit der MWST-Diskriminierung des Gastgewerbes!»: mit 71.5% wurde sie am vergangenen 28. September deutlich abgelehnt, trotz Ausrufezeichen. Nun steht in Bern schon der nächste Reformvorschlag zur Diskussion: der Einheitsatz. Das ist erfreulich, denn die MWST ist in ihrer heutigen Ausgestaltung reformbedürftig. Das müsste sie eigentlich nicht sein: Die MWST ist grundsätzlich weniger schädlich als Einkommenssteuern, weil sie das Sparen und das Investieren nicht bestraft. Auch lässt sie sich nur schwer umgehen. Jedes Unternehmen hat einen Anreiz, seine Vorleistungen korrekt auszuweisen, damit es die Vorsteuer zurückerstattet bekommt. Leider wurde dieser Vorteil durch die 27 steuerbefreiten Güter- und Dienstleistungskategorien und die drei unterschiedlichen Sätze arg strapaziert; heute ist die MWST volkswirtschaftlich ineffizient und führt zu einem grossen bürokratischen Aufwand. Unternehmen müssen sich mit komplexen, wenn nicht gar absurden, juristischen Abgrenzungsfragen auseinandersetzen. So wird beispielsweise ein Roman auf Papier zu 2,5% besteuert, derselbe als E-Book aber zu 8 %.

Die Einführung eines Einheitssatzes – auch für die steuerbefreiten Güter und Dienstleistungen – würde die MWST zu einer echten Konsumsteuer machen. Doch der neue Vorstoss steht unter einem schlechten Stern. Vielen Politikern sind die unterschiedlichen Sätze heilig – namentlich der reduzierte Satz von 2,5% auf Grundnahrungsmittel. Begründet werden diese und weitere Ausnahmen fast durchwegs mit sozialpolitischen Argumenten: damit sollen einkommensschwache Haushalte entlastet werden, die einen grösseren Anteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel aufwenden – so die Theorie.

Diese Argumentation ist wenig stichhaltig, denn eine Umverteilung über die MWST führt zu hohen Mitnahmeeffekten. Zwar profitieren die unteren Einkommensklassen von der Satzreduktion tatsächlich etwas mehr als die oberen. Gleichzeitig wird aber die oberste Einkommensklasse dank ihren absolut höheren Konsumausgaben für jeden Franken, um den man die unterste Einkommensklasse entlastet, um 2 Franken besser gestellt, denn auch der Konsum von Kaviar, Filet und Bio-Produkten wird steuerlich subventioniert. Etwas anderes wäre in der Praxis auch gar nicht möglich. Sonst müsste man für jedes einzelne Nahrungsmittel bestimmen, ob es zum reduzierten Satz besteuert würde – die Abgrenzungsübung würde endgültig ad absurdum geführt.

Kurzum: Der reduzierte Satz hat eine sehr bescheidene und ungezielte Umverteilungswirkung, verursacht aber gleichzeitig hohe volkswirtschaftliche Kosten. Das kann nicht sinnvoll sein. Umverteilung sollte über die Einkommenssteuer geschehen, die sich auch tatsächlich individuell gestalten lässt, aber nicht über die MWST.

Mehr dazu in «Zwischen Last und Leistung: Ein Steuerkompass für die Schweiz».