Die Beschlüsse des Nationalrats zur Energiewende kann man wie folgt zusammenfassen: Die Subventionen für erneuerbare Energiequellen werden aufgestockt und auf die Grosswasserkraft ausgedehnt; die Atomkraftwerke laufen weiter, und die Betreiber der Stromnetze werden mit einem Bonus-Malus-System animiert, die Verbraucher zum Stromsparen anzuhalten.

Mit einer Energiestrategie hat das wenig zu tun. Vereinfachend geht die politische Mehrheit in Bern davon aus, dass sich mit dem langfristigen Ausstieg aus der Kernkraft eine «Versorgungslücke» öffnet, die mit erneuerbaren Energien und Stromsparen geschlossen werden muss. Ähnlich wie bei der Landwirtschaft – die in der Wintersession ebenfalls mit mehr Subventionen bedacht wurde – argumentieren die Politiker gerne mit dem Ziel der Versorgungssouveränität und ignorieren Interdependenzen des internationalen Strommarktes.

Teure Subventionen

Entgegen der unterstellten Knappheit gibt es in Europa auf absehbare Zeit zu viel Strom. Sinnvollerweise sollten die tiefen Grosshandelspreise ein Signal sein, vorerst nicht in den Kraftwerksausbau zu investieren. In der Schweiz sind sie vielmehr ein Argument für die Ausdehnung der Subventionen auf die Grosswasserkraft, obschon diese – im Gegensatz zur verbreiteten Meinung – keineswegs eine günstige erneuerbare Technologie ist. Auch trägt sie wegen der geringeren Ergiebigkeit in den Wintermonaten nur begrenzt zur Versorgungsstabilität bei.

Die tiefen Strompreise machen die Subventionen teuer. Die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) verschärft das Problem. Einerseits begünstigt sie ausschliesslich Investitionen im Inland, obschon hier das Potenzial für den Ausbau effizienterer Technologien wie Onshore-Wind begrenzt ist. Ein Grossteil der Subventionen wird daher in den Ausbau der Photovoltaik (PV) fliessen. Anderseits ignoriert die KEV den Markt, da sie die Stromproduktion unabhängig vom Preis auf Basis der kalkulierten Kosten vergütet. Ein neues Prämienmodell soll zwar etwas marktnähere Produktionsanreize bieten, doch diese Minireform ändert nichts an den marktfernen Investitionsanreizen.

Angesichts der internationalen Entwicklungen ist das besonders schlecht. Schon heute häufen sich an sonnigen Sommertagen die Perioden, in denen Deutschland und Italien aufgrund ihrer stark ausgebauten PV-Kapazitäten grosse Strommengen exportieren und die Grosshandelspreise einbrechen. Zusätzliche PV-Produktion in der Schweiz hat dann weder Nutzen für die Versorgung noch Wert am Markt. Wenig zielführend ist auch das Bonus-Malus-System. Denn mit wachsendem Anteil fluktuierender Energie nimmt die Relevanz absoluter Stromeinsparungen ab. Viel wichtiger wird die flexible Anpassung des Verbrauchs an das Angebot. Spotmarktpreise sollten sich darum in den Endverbrauchertarifen niederschlagen.

Keine Eile

Avenir Suisse hat in mehreren Studien darauf hingewiesen, dass die Energiestrategie nicht unabhängig von den Entwicklungen im Ausland definiert werden kann. Gerade weil die Schweiz so stark in den europäischen Strommarkt integriert ist, sollte ihre Strategie die beste Antwort auf die Entwicklungen dort sein. Der Marktpreis müsste in dieser Strategie zentral sein.

Die nun vom Nationalrat beschlossenen Massnahmen sind besonders teuer, weil sie in erster Linie auf Subventionen setzen und die Marktpreise nicht nur ignorieren, sondern zusätzlich verzerren. Will die Politik unbedingt Erneuerbare fördern, dann sollte sie ein Instrument wählen, das Ausbau und Betrieb am Markt orientiert und auch Investitionen im Ausland zulässt. Fehlt ein internationales System mit einem funktionierenden CO2-Zertifikatehandel, dann käme alternativ ein Quotenmodell infrage. Interessanterweise hätte dieses ähnliche Effekte wie eine bei den Endverbrauchern erhobene Lenkungssteuer.

Das Konzept eines Lenkungssystems hat die Politik aber auf die Zeit nach 2020 verschoben. Es wäre eine gute Idee, bis dann auf weitere Subventionen zu verzichten. Zeitdruck besteht ohnehin nicht, schliesslich gibt es in Europa genügend Strom, und auch die Schweizer Kernkraftwerke bleiben weiter am Netz.

Dieser Artikel erschien im «Tages-Anzeiger» vom 13. Dezember 2014.
Mit freundlicher Genehmigung des «Tages-Anzeigers».