Damit Krisen als Antrieb für Innovationen und Fortschritt ihre Wirkung entfalten können, müssen günstige Rahmenbedingungen vorliegen. Wie steht es um die geschäftsfreundlichen Bedingungen in der Schweiz?

Der bekannteste Indikator zur Messung der Unternehmensfreundlichkeit eines Landes stellt der Ease-of-Doing-Business-Index dar. Das Ranking erscheint jährlich im Doing Business Report der Weltbank und misst das regulative Umfeld der Wirtschaft und die Unternehmerfreundlichkeit in 190 Volkswirtschaften. Die zugrunde liegenden Daten entstammen Befragungen von Experten und Ökonomen in den vertretenen Ländern und geben eine Einschätzung in 12 Kategorien.

Die Schweiz ist für gewöhnlich in sämtlichen Rankings in den Top 10 vertreten, nicht so im Ease-of-Doing-Business-Index. Seit der erstmaligen Veröffentlichung im Jahr 2006 verliert sie konstant an Boden. Vom damals 17. Platz rutschte die Schweiz ins Mittelfeld auf den aktuell 36. Rang ab – noch hinter Israel, Aserbaidschan und der Türkei. Worin liegen die Ursachen für die stetige Verschlechterung?

Ungenügende Noten erhält die Schweiz in den Kategorien Unternehmensgründung, Erwerb einer Baugenehmigung und Schutz von Investoren (World Bank 2020). Wer in der Schweiz eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gründen will, benötigt dazu im Schnitt zehn Tage. Allein auf die Beglaubigung der Unterschriften durch den Notar müssen die Gründer in der Schweiz drei Tage warten. Im Gegensatz dazu kann in Neuseeland die Firmengründung rein elektronisch und innerhalb von einem halben Tag durchgeführt werden. Hinzu kommt die notwendige Kapitaleinlage, die in der Schweiz mit 20’000 Fr. vergleichsweise hoch zu Buche schlägt. Für die Unternehmensgründung werden hierzulande sechs einzelne Prozessschritte aufgeführt, während das beste Ergebnis bei nur einem notwendigen Schritt liegt, im Schnitt sind in den OECD-Staaten fünf einzelne Teilprozesse notwendig.

Im dichten Geflecht von Regulierungen gedeihen Innovationen schlecht. (Ricardo Gomez-Angel, Unsplash)

Wie alle Indizes, die aus vielen Komponenten bestehen, ist natürlich auch der Ease-Of-Doing-Business-Index anfällig auf Kritik. Er ist ziemlich eng gefasst und berücksichtigt zentrale Faktoren wie beispielsweise das Bildungsniveau, den Wohlstand der Bevölkerung, die Qualität der Infrastruktur oder die Nähe zu grossen Absatzmärkten nicht. Bei einzelnen Indikatoren kann man sich über die Zahl der Zielgrössen streiten: Die in der Schweiz geforderten 20’000 Fr. Startkapital dienen dem Gläubigerschutz und sind daher nicht à priori eine illiberale Massnahme. Und zuletzt wird der Index des ganzen Landes anhand der Situation in der bevölkerungsreichsten Stadt ermittelt, was gerade in der stark föderalistischen Schweiz eine ganzheitliche Beurteilung verhindert.

Trotzdem kann nicht geleugnet werden, dass die Unternehmerfreundlichkeit in der Schweiz über die vergangenen 15 Jahre abgenommen hat. Wollen wir nicht abgehängt werden, müssen wir uns für günstige Rahmenbedingungen einsetzen. Andernfalls droht die Schweiz an Attraktivität zu verlieren, und junge Gründer könnten sich bei der Standortwahl ihres Start-ups gegen die Schweiz und für einen innovationsfreundlicheren Ort im naheliegenden Ausland entscheiden – mit entsprechenden Konsequenzen für die hiesige Arbeitsplatzsicherheit. In der Folge kann sich dies auch auf die Ansiedlung von neuen Firmen auswirken, die sich am Puls von innovativen Start-ups ansiedeln, um nahe bei der Entstehung von Technologieinnovationen zu sein. Deren Wegfall hätte entsprechende Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, Standortattraktivität und das Steuersubstrat. 

Es gibt einiges zu tun, um Licht ins Regulierungsdickicht zu bringen. Ein internationales Rezept bietet die «one in, one out»-Regel, die bereits in Grossbritannien, Deutschland und Kanada angewendet wird. Mit dem Ziel, die Überregulierung zu stoppen, muss für jedes neu eingeführte Gesetz ein bereits bestehendes abgeschafft werden. Der Vorstoss scheiterte in der Schweiz am Ständerat, ironischerweise mit der Begründung, dass damit der Gesetzgebungsprozess verkompliziert würde.

Avenir Suisse nannten 2016 (Buomberger und Schlegel) weitere Ansetzungspunkte, darunter die «Sunset-Klausel», wie sie die USA kennt. Gesetze werden mit einem Verfalldatum versehen, womit sie zu einem späteren Zeitpunkt zur erneuten Evaluation kommen. Eine weitere Idee wäre eine gesamtwirtschaftliche Regulierungsbremse. Ähnlich der Schuldenbremse würde dadurch ein Abbauziel definiert. Auch durch das Vorantreiben des E-Governments und digitaler Dienste kann ein unternehmerfreundliches Umfeld gestaltet werden. Gemäss den Autoren scheinen die einzelnen Regulierungen oft vernünftig, im Geflecht mit den bereits bestehenden Gesetzen entfalten sie meist eine unnötig beeinträchtigende Wirkung.

Um das krisenbedingte Momentum der Innovationskraft nutzen zu können, sollten Unternehmen nicht durch ein unnötiges Regulierungsdickicht eingeschränkt und Innovationen dadurch abgewürgt werden. Das stetige Abrutschen der Schweiz im Ease-of-Doing-Business-Indikator gibt daher zu denken. Langsame Prozesse, hohe Kosten, analoge, statt digitale Abwicklungen, und die Gefahr einer gesamthaft lähmenden Wirkung des Regulierungsgeflechts schaden der Innovationskraft und Standortattraktivität der Schweiz. Als Folge drohen künftige Innovationen bereits im Keim zu ersticken, oder junge Entrepreneurs entscheiden sich für die Gründung im naheliegenden Ausland. Einhalt bieten könnte beispielsweise eine Regulierungsbremse oder die Förderung digitaler Prozesse bei der Firmengründung. Die positiven Folgen sind vielfältig und sichern im Endeffekt nicht nur den Fortschritt, sondern auch zahlreiche Arbeitsplätze in der Schweiz.

Teil 1: Krisen als Antrieb für Innovationen