Nico Leuenbergerger moderiert und produziert Avenir Suisse Podcasts seit Oktober 2017. Er arbeitet bei Radio 1 als Reporter und News-Anchor. Davor war er in gleicher Funktion bei Radio 24 tätig. Nico Leuenberger studierte Journalismus und Organisationskommunikation an der ZHAW in Winterthur. Als Vater zweier Kleinkinder arbeitet er Teilzeit.
Sterne für die Spitäler
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Andrea Rytz, CEO der Zürcher Schulthess Klinik, im Gespräch mit Jérôme Cosandey über Spitalkosten
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Jérôme Cosandey,
Nico Leuenberger
Sterne für die Spitäler
PodcastAndrea Rytz, CEO der Zürcher Schulthess Klinik, im Gespräch mit Jérôme Cosandey über Spitalkosten
Die steigenden Kosten im Gesundheitssystem beschäftigen alle: Patienten, Spitäler, Krankenversicherungen und Gesundheitspolitiker. Aber mit welchen Methoden könnte man das Kostenwachstum bremsen? Andrea Rytz, CEO der Zürcher Schulthess Klinik, und Jérôme Cosandey, Forschungsleiter Finanzierbare Sozialpolitik, sehen verschiedene Ansatzpunkte:
Die Politik: Zu oft ist Gesundheitspolitik Interessenspolitik. Etwa bei den kantonalen Spitallisten, die nicht selten für Regionalpolitik instrumentalisiert werden. Viel sinnvoller bei der Beurteilung von Spitalleistungen wären allgemeine, in der ganzen Schweiz gültige und besser vergleichbare Kriterien.
Die Qualität: Muss es wirklich immer die beste und teuerste Therapie sein? Mit den richtigen Anreizen für die Patienten könnte sich ein 5-Sterne-System auch im Spitalwesen durchsetzen.
Die Schwerpunktsetzung: Heute gibt es zu viele Spitäler, die alles anbieten. Mit einer gezielten Spezialisierung der Anbieter wären neben Effizienzgewinnen auch Qualitätssteigerungen möglich.
Andrea Rytz und Jérôme Cosandey waren sich in ihrem Gespräch einig, dass die Spitäler nicht mehr, sondern bessere Regulierung brauchen. Die eine einseitige Fokussierung auf Tarife bringe zu wenig.
Mehr Wachstum heisse zudem nicht automatisch Kostenwachstum: Vielen Probleme könnten auch durch weniger Bürokratie gelöst werden: Etwa, wenn Ärzte sich besser austauschen und Patienten spitalübergreifend behandeln könnten, weil sie einen unkomplizierten Zugang zu den verschiedenen Institutionen erhielten.
Die Branche hat noch viel Raum für Verbesserungen. Und vielleicht kann auch die Zeit ein paar Wunden im Gesundheitssystem heilen. Zum Beispiel, wenn der Druck der Patienten, die sich gegen die Kosten wehren, grösser wird.
Podcast
Verena Nold, Direktorin von Santésuisse, im Gespräch mit Jérôme Cosandey über Spitalpolitik
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Jérôme Cosandey,
Nico Leuenberger
Mangelnder Wettbewerb unter den Spitälern
PodcastVerena Nold, Direktorin von Santésuisse, im Gespräch mit Jérôme Cosandey über Spitalpolitik
Seit 2012 können Patienten innerhalb ihrer Kantone – und unter gewissen Einschränkungen in der ganzen Schweiz – frei zwischen privaten und öffentlichen Spitälern wählen, sofern die Einrichtungen auf einer kantonalen Spitalliste aufgeführt sind. Medizinische Leistungen werden neu mit Fallpauschalen rückvergütet und nicht mehr durch direkte Subventionen an öffentliche Spitäler finanziert.
Verena Nold, Direktorin der Schweizer Krankenversicherer-Branchenorganisation Santésuisse, spricht im Podcast mit Jérôme Cosandey über die Auswirkungen der neuen Spitalfinanzierung auf die Gesundheitskosten. Zwar sei das Kostenwachstum gebremst worden, doch es brauche weitere Massnahmen, um die erwünschten qualitativen und quantitativen Effekte des verstärkten Wettbewerbs zu realisieren. Es gebe in der Schweiz zu viele Spitäler, die alle Leistungen anbieten wollen, was zu Doppelspurigkeiten führe – nicht zuletzt aufgrund des «Kantönligeistes». Wettbewerbshürden, kantonale Subventionen und schlecht informierte Patienten seien ein wichtiger Grund für die fehlende Spezialisierung der Spitäler und die damit resultierenden Überkapazitäten, sagt Cosandey.
Dass die Patienten wenig Preisbewusstsein entwickelten, sei laut Nold nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sie die Kosten nur indirekt über die Krankenkassenprämien bezahlen. Eine Vermittlerrolle der Krankenversicherungen, kombiniert mit einem Bonus-System, wie es Avenir Suisse in der Studie «Gesunde Spitalpolitik» vorgeschlagen hat, hält sie für einen prüfenswerten Ansatz. Demnach würden Krankenkassen ihren Patienten vor planbaren Eingriffen eine Liste von geeigneten Spitälern vorlegen. Entscheidet sich der Patient für ein Spital mit tieferem Basistarif als das nächstgelegene, teilen sich die Versicherung und der Patient die Kosteneinsparungen. Es gelte dabei jedoch eine Zweiklassenmedizin zu vermeiden, betont Nolt.
Dass sich der Patient zusammen mit dem Arzt selber für ein «teureres» Spital in der Nähe oder eine andere Lösung entscheiden kann, ist auch für Jérôme Cosandey zentral. Es wäre denkbar, in verschiedenen Kantonen oder Regionen Pilotprojekte anzustossen, die bei Erfolg von der ganzen Schweiz übernommen werden könnte. Die Kassen hätten bereits heute Erfahrung mit verschiedenen Versicherungsmodellen, betont Verena Nold. Die Gesprächspartner sind sich einig darüber, dass diese Vielfalt eine Stärke des Schweizer Gesundheitssystems ist, im Unterschied etwa zu stark zentralisierten Lösungen wie in England. Es ermöglicht politische Innovationen im Gesundheitssektor, ohne gleich das ganze Land zu tangieren.
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Jürg Müller verteidigt gegenüber Jakob Schaad sein Buch «The End of Banking»
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Jürg Müller,
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Nico Leuenberger
Ein Ökonom mit radikalen Ideen
PodcastJürg Müller verteidigt gegenüber Jakob Schaad sein Buch «The End of Banking»
Der NZZ-Redaktor Jürg Müller ist Co-Autor des ökonomischen Buches «The End of Banking», das unter dem Pseudonym Jonathan McMillan publiziert wurde. Die Publikation setzt sich kritisch mit dem Bankenwesen, der Kreditschöpfung und dem Geldsystem auseinander. Die Autoren beschäftigen sich mit den Boom-and-Bust-Zyklen, den exzessiven Risiken, exorbitanten Managerentschädigungen und der Too-big-to-fail-Problematik. Mit ihrer «systemic solvency rule» lancieren sie eine radikale Reformidee, die noch über die Forderungen der Vollgeldinitiative hinausgeht. Unter der Leitung von Nico Leuenberger diskutiert Jakob Schaad mit Jürg Müller.
Die Informationstechnologien hätten die Art und Weise, wie wir versucht haben, das Banking zu kontrollieren, zerstört – also das Regulierungswerk, sagt der Autor. Deshalb schlage er im Unterschied zur heutigen Bankenregulierung oder zur Vollgeldinitiative vor, eine Solvenzregel einzuführen, die dazu führen würde, dass systemische Risiken im Finanzsystem nicht mehr eingegangen werden könnten.
Den Einwand von Jakob Schaad, die vorgeschlagene Lösung scheine ihm äusserst radikal, beantwortet Müller mit dem Argument, wir lebten in radikalen Zeiten. Die Informationstechnologien hätten schon viele Branchen auf den Kopf gestellt, das gelte auch für den Finanzsektor.
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Thomas Lorenz von der Stiftung Zukunft.li im Gespräch mit Jérôme Cosandey über das obligatorische individuelle Pflegekapital
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Jérôme Cosandey,
Nico Leuenberger
Augen verschliessen kann teuer werden
PodcastThomas Lorenz von der Stiftung Zukunft.li im Gespräch mit Jérôme Cosandey über das obligatorische individuelle Pflegekapital
Seit Jahren propagiert Avenir Suisse ein obligatorisches individuelles Pflegekapital für die Finanzierung der Alterspflege. Die Stiftung Zukunft.li in Liechtenstein hat ein ähnliches Modell entwickelt. Thomas Lorenz, Direktor des Think-Tanks im Fürstentum, erklärt im Podcast mit Jérôme Cosandey, Forschungsleiter für Sozialpolitik bei Avenir Suisse, die Hintergründe seines Vorschlags.
Der Idee zugrunde liegt die demografische Entwicklung, die auch in Liechtenstein Sorge bereitet. Der Hauptunterschied zum Modell von Avenir Suisse bestehe darin, dass im Fürstentum kein Zielbetrag festgelegt werden soll, der beim Eintritt in die Pflegebedürftigkeit vorhanden sein muss. Avenir Suisse hingegen peilt ein Kapital an, das die Finanzierung eines durchschnittlichen Heimaufenthalts sicherstellt. Die Liechtensteiner orientieren sich aus Gründen der politischen Machbarkeit daran, was für einen relevanten Teil der Bevölkerung finanziell zumutbar ist. Beiden Vorschlägen gemeinsam ist die Vererbbarkeit des Pflegekapitals bei Nichtverwendung.
Für Jérôme Cosandey ist klar, dass wir ohne Anpassung der heutigen Schweizer Pflegefinanzierung über Steuern und Krankenkassenprämien mehr bezahlen werden als bisher. Der Bundesrat geht davon aus, dass bis 2045 eine Erhöhung der Steuern um 12% nötig wird und sich der Anteil der Krankenkassenprämien für den Bereich der Alterspflege verdoppelt. Jérôme Cosandey plädiert deshalb dafür, Anreize für eine Verhaltensänderung zu setzen: Aus den hohen Krankenkassenprämien werde ein Anspruch abgeleitet, das einbezahlte Geld auf die eine oder andere Weise zurückzuerhalten. Habe man indessen eigenes Kapital für die Alterspflege angespart, bemühe man sich eher darum, altersgerecht zu wohnen oder den Heimeintritt möglichst zu verzögern – oft mit der Unterstützung von Angehörigen.
Ähnlich wie in der Schweiz sträubt sich auch in Liechtenstein die Regierung bisher gegen ein obligatorisches individuelles Alterskapital – mit der Begründung, das Modell sei nicht mehrheitsfähig. Der Vorschlag der Stiftung Zukunft.li habe das Thema jedoch ins politische Bewusstsein gerückt, sagt Thomas Lorenz. Im letzten Dezember wurde im Landtag ein breit abgestütztes, von allen Fraktionen mitgetragenes Postulat überwiesen, wonach die Regierung im Laufe dieses Jahres diverse Fragen beantworten muss. Auch hat der Fürst in seiner Neujahrs-Thronrede das Thema prominent hervorgehoben.
Einen ähnlichen Vorstoss hatte zwar Ständerat Josef Dittli Ende 2016 auch in der Schweiz eingereicht, ist beim Bundesrat aber auf taube Ohren gestossen: Dies nicht nur, weil Pflege in der Schweiz Sache der Kantone ist. Der Bundesrat bezweifelt, dass ein obligatorisches individuelles Pflegekapital das richtige Modell sei, da nur ein knappes Zehntel der 65-Jährigen und Älteren intensive Pflege beanspruchen würden. Dies sei aber nur eine Momentaufnahme in einem spezifischen Jahr, betont Cosandey. Man könne daraus nicht hochrechnen, wie viele Personen in ihrem gesamten Leben pflegebedürftig sein werden. Sowieso könne ein Pflegekapital nicht alle Risiken abdecken, sondern sichere nur einen typischen Grundbedarf – den «First-Level-Support» sozusagen.
Thomas Lorenz glaubt, dass die Höhe des angesparten Betrags nicht so relevant sei. Ob zum Zeitpunkt der Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit 50’000 oder 100’000 Fr. auf dem Konto liegen, spiele eine untergeordnete Rolle. Das Pflegekapital werde die bestehenden Finanzierungsmechanismen nie gänzlich ablösen können, sondern höchstens eine Entlastung für künftige Steuerzahler darstellen. Die grundsätzliche Frage lautet vielmehr, ob wir willens und fähig seien, über ein System nachzudenken, das stärkere Eigenverantwortung verlangt – aber im Rahmen der wirtschaftlichen Tragbarkeit für den Einzelnen.
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Wie eine erfolgreiche Staatsform für die Zukunft gerüstet werden kann
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Natanael Rother,
Nico Leuenberger
Ist der Föderalismus von gestern?
PodcastWie eine erfolgreiche Staatsform für die Zukunft gerüstet werden kann
Eine grossangelegte Umfrage hat es vor einigen Monaten gezeigt – kaum jemand von den Jungen interessiert sich für Föderalismus. Auch bei älteren Semestern scheint der Rückhalt für den kleinräumigen Staatsaufbau der Schweiz zu bröckeln. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die grossen Herausforderungen dieser Zeit vielmehr auf internationaler Ebene als auf nationaler, kantonaler oder gar kommunaler Ebene gesehen werden. Warum sollten wir uns also mit dem Kantönligeist abgeben in Zeiten immer ausgeprägterer Globalisierung?
Im jüngsten Avenir-Suisse-Podcast lenkt Natanael Rother den Fokus auf einen wenig besprochenen Aspekt der föderalen Organisation der Schweiz: Föderalismus ist nicht einfach Selbstzweck oder Worthülse der Vergangenheit. Es ist nicht in erster Linie die Tradition, die dem Föderalismus eine Daseinsberechtigung gibt, sondern der Erfolg: Die kleinräumige Organisation mit weitgehend selbständigen Kantonen war in der Vergangenheit erfolgreicher als andere Staatsformen darin, die richtigen Leistungen zu einem möglichst tiefen Preis zu erbringen. Die Kleinräumigkeit schafft Bürgernähe, und die Kantone konnten immer wieder auch als Ideenlabor wirken.
Trotz des Erfolgs in früheren Jahren zeichnen sich heute verschiedene Herausforderungen ab: Die Aufgaben wurden mit der NFA weniger konsequent entflochten als geplant, und seither sind wieder Zentralisierungen und Verflechtungen zu beobachten, die wenig mit dem Bemühen um die möglichst effiziente Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu tun haben. Die Folge davon ist eine (nicht zielgerichtete, zu teure) Erbringung staatlicher Leistungen, kurz: ein zu geringer «value for tax money».
Gerade weil die Schweiz so dezentralisiert und fragmentiert ist, braucht sie eine gut organisierte Struktur, die die Anreize im Umgang mit Steuergeldern richtig setzt. Eine ungünstige Ausgestaltung von Regeln und Institutionen würde schnell dazu führen, dass die potenziellen Nachteile (z.B. Koordinationskosten, geringe Ausnutzung von Grössenvorteilen) gegenüber den potenziellen Vorteilen (Bürgernähe, Wettbewerb, Entdeckungsverfahren) überwiegen.
Avenir Suisse hat in der Studie «NFA II – Für die Revitalisierung des Schweizer Föderalismus» Handlungsfelder für gezielte Entflechtungen vorgeschlagen, um die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen klarer zu strukturieren und den Kantonen wieder mehr Freiheiten zu gewähren.
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Über inkonsequente Ordnungspolitik und ihre möglichen Folgen
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Samuel Rutz,
Christian Jaag,
Nico Leuenberger
Wie weiter mit der Postfinance?
PodcastÜber inkonsequente Ordnungspolitik und ihre möglichen Folgen
Im September wurde die Staatsgarantie für die Postfinance offiziell aufgehoben. Trotzdem bleibt der Bund Eigner der Postfinance – und somit in der Verantwortung für ihren Geschäftsgang. Gleichzeitig nimmt er weiterhin Einfluss auf das Geschäftsmodell, zum Beispiel mit dem Verbot, Kredite oder Hypotheken zu vergeben, oder auch mit dem Grundversorgungsauftrag.
Ergibt der regulatorische Rahmen für die Postfinance in der modernen Welt noch Sinn? Oder gäbe es bessere Wege? Samuel Rutz, Adjunct Fellow bei Avenir Suisse und Wettbewerbsexperte diskutiert diese Fragen mit Christian Jaag, der als Managing Partner bei Swiss Economics Unternehmen in Regulierungsfragen berät und mit der Situation der Postfinance vertraut ist.
Samuel Rutz sähe in einer Privatisierung einen Befreiungsschlag für die Postfinance, weil sie dann mit den anderen Finanzinstituten in einen ganz normalen Wettbewerb treten könnte. Den Grundversorgungsauftrag würde er abschaffen, weil der Postfinance heute keine entscheidende Rolle mehr für die Sicherstellung des Zahlungsverkehrs zukommt. Auch andere Länder würden gut ohne derartige semistaatliche Finanzdienstleister auskommen.
Christian Jaag sieht es nicht ganz so kritisch, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Postfinance (noch) Gewinn erwirtschaftet – im vergangenen Jahr knapp 400 Mio. Franken. Postfinance trägt damit einen wesentlichen Teil zum Gewinn der Postgruppe bei. Ausserdem gäbe es mit der traditionellen Post durch die gemeinsam benutzten Infrastrukturen Synergien.
Einig sind sich die beiden Ökonomen, dass eine Privatisierung oder eine Teilprivatisierung keine Einzelmassnahme sein dürfte und der Grundversorgungsauftrag und das Kreditverbot auf jeden Fall gleichzeitig zur Disposition zu stellen wären.
Entgegen der ordnungspolitischen Logik weitet sich der Einfluss der Politik auf die Postfinance laufend aus. Aktuell gibt es Bemühungen im Nationalrat, die Postfinance dazu zu verpflichten, allen Auslandsschweizern ein Konto anzubieten. Auch an Postfinance-Dogmen herrscht kein Mangel: bei bürgerlichen Politikern ist es das kategorische Festhalten am Kreditverbot, im linken Lager die Frage des Staatseigentums.