Seit 2014 gehen die Preise im Gesundheitswesen zurück. Das mag überraschen – besonders in einem Umfeld stetig steigender Gesundheitskosten. Um dieses Paradoxon zu verstehen, hilft eine einfache Gleichung: Die Kosten sind das Ergebnis aus Preis mal Menge. Steigende Kosten ergeben sich also aus höheren Preisen, einer Zunahme der in Anspruch genommenen Leistungen oder wenn beides gleichzeitig steigt.
Gesundheit: Eine Ausnahme in der Preisentwicklung
Um Preisentwicklungen im Gesundheitswesen oder in anderen Konsumbereichen zu messen, veröffentlicht das Bundesamt für Statistik (BFS) regelmässig den Landesindex der Konsumentenpreise (LIK). Dieser misst die Teuerung für einen repräsentativen Warenkorb privater Haushalte in der Schweiz. Jeden Monat werden rund 100’000 Preise erfasst und in zwölf Hauptkategorien unterteilt, deren Gewichtung der jeweiligen Bedeutung im Haushaltsbudget entspricht.
Gesundheit ist eine dieser Hauptkategorien. Sie umfasst unter anderem Medikamente, therapeutische Geräte sowie ambulante und stationäre medizinische Leistungen. Insgesamt sind die Preise im Gesundheitswesen seit 2014 um 4,4% gesunken (siehe Grafik). Erstaunlich ist dieser Rückgang, weil sich die Preise des gesamten Warenkorbs der Haushalte im gleichen Zeitraum um 5% erhöht haben.
Innerhalb des Gesundheitswesens zeigt sich seit zehn Jahren ein anhaltender Preisrückgang:
- Ambulante medizinische Leistungen sind leicht rückläufig, mit einer durchschnittlichen jährlichen Preisreduktion von 0,2%.
- Stationäre Krankenhausleistungen sanken zunächst, stiegen aber ab 2020 wieder an – parallel zur Covid-19-Pandemie.
- Medikamente verzeichneten die stärksten Preisrückgänge mit einer durchschnittlichen jährlichen Senkung von 1,6%.
- Zahnärztliche Behandlungen bilden die einzige Ausnahme. Ihre Preise stiegen bis 2023 um 12%. Während sie zwischen 2014 und 2017 stabil blieben, kam es 2018 und 2019 zu deutlichen Preisanstiegen.
Volumenanstieg als Treiber der Gesundheitskosten
Wenn die Preise für Gesundheitsleistungen sinken, können die steigenden Gesundheitskosten nur durch eine erhöhte Inanspruchnahme erklärt werden. Es gibt mehrere Faktoren, die diese Entwicklung begünstigen:
- Bevölkerungswachstum
Eine grössere Bevölkerung führt zwangsläufig zum Konsum von mehr medizinischen Leistungen. Doch selbst auf Pro-Kopf-Basis sind die Gesundheitsausgaben in zehn Jahren von 694 auf 869 Franken pro Monat gestiegen – das Bevölkerungswachstum allein reicht also nicht als Erklärung. - Alternde Gesellschaft
Eine ältere Bevölkerung benötigt mehr medizinische Betreuung, vor allem bei chronischen Krankheiten. Dennoch fallen die letzten zwölf Monate vor dem Tod finanziell weniger ins Gewicht als oft angenommen: Sie machen «nur» 10% der über die Krankenversicherung abgerechneten Kosten aus. - Steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen
Die Zahlen belegen es: Zwischen 2012 und 2022 stieg der Anteil der Personen, die mindestens einmal jährlich einen Arzt aufsuchten, von 78% auf 83%. Die Konsultationen bei Psychologen haben sich in derselben Zeit von 6% auf 10% erhöht. - Medizinischer Fortschritt
Neue, wirksamere oder weniger invasive Therapien können dazu führen, dass mehr Menschen behandelt werden. Ein günstigeres, aber besseres Verfahren kann die Anzahl der Anwendungen steigern und die Gesamtausgaben erhöhen. Ebenso kann eine neue Therapie für eine bisher unbehandelbare Krankheit eine zusätzliche Nachfrage erzeugen.
Kosten und Nutzen im Gleichgewicht halten
Genau wie beim technologischen Fortschritt gilt: Steigende Gesundheitskosten sind nicht per se problematisch – solange sie mit einem höheren Nutzen für die Patienten einhergehen. Eine Regulierung, die ausschliesslich auf Preissenkungen abzielt, könnte zu unnötigen Behandlungen führen. Umgekehrt würde eine Begrenzung der Behandlungsmenge ohne Preisanpassungen zu einer Rationierung der Versorgung führen.
Nur eine koordinierte Steuerung von Preis und Volumen, wie sie in alternativen Versicherungsmodellen vorgenommen wird, kann das zentrale Ziel erreichen: Ein leistungsfähiges Gesundheitswesen, das eine optimale Qualität zu tragbaren Kosten sichert.