Eine Erwerbsquote von 80 Prozent, schlappe 3,2 Prozent Arbeitslosigkeit und die Brutto-Staatsverschuldung in zehn Jahren von annähernd 60 auf 40 Prozent verringert: Den Segen des eidgenössischen Erfolgs zeichnet Gerhard Schwarz mit wenigen Zahlen eindrucksvoll an die Wand. Aber der Direktor der Denkfabrik Avenir Suisse ist auch nach Götzis gekommen, um über den Fluch des Erfolgs zu reden. Volkshochschule und Vorarlberger Nachrichten haben ihn eingeladen im Rahmen der Reihe «Wege zum Weltwissen».

Wo aber soll dieser Fluch schon liegen? Die Direktinvestitionsquote der Schweiz im Ausland bewegt sich mit 181 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in schwindelerregenden Höhen. Die Standortattraktivität der Schweiz wird rund um den Erdball seit Jahren mit Spitzenwerten beschrieben.

Angesichts dieser Anhäufung von Superlativen «vergisst man freilich leicht, dass die Schweiz vor 160 Jahren noch Europas Armenhaus gewesen ist», sagt Schwarz. Gewiss, dass beide großen Kriege das Land nicht verwüstet haben, half enorm. Aber Schwarz hebt auch den Fleiß hervor. «Hier ging es immer mehr um Sein als um Schein.» Augenzwinkernd erzählt er von der Bankerfamilie Bär, die sich zwei exakt baugleiche Autos kaufte, damit die Nachbarn nicht merkten, dass sie zwei Wagen besaß.

Sehnsuchtspunkt Schweiz

Dieser beständige Reichtum hat einen guten Klang. Dass jährlich rund 80.000 Menschen zuwandern, kommt nicht von ungefähr. Aber das soll sich jetzt ja ändern. Das knappe Votum vor 14 Tagen schlug auch Schwarz auf den Magen. Allerdings will er es nicht als Ausländer-Votum verstanden wissen. «Das war weit eher eine wachstumskritische Abstimmung.» Wie kommt er drauf?

«Wenn man nur den bewohnbaren Teil der Schweiz hernimmt, leben hier 350 Einwohner pro Quadratkilometer.» Eine Fläche «so groß wie der Bodensee» wurde in den vergangenen 25 Jahren überbaut. Die Wohnungsnachfrage ließ die Mietpreise explodieren. Auch die Mobilität wächst unentwegt – in zehn Jahren auf der Straße um 50 und auf der Bahn um 40 Prozent. «Die Menschen beklagen überfüllte Züge und Trams.» Der aus alldem resultierende «Dichte-Stress» habe die Stimmung in der Schweiz kippen lassen. Wie sich das Verhältnis zur EU nun entwickeln wird, wagt Schwarz nicht zu sagen. Eine neue, harmlosere Initiative des Bunderates, der den Ängsten der Bevölkerung etwas entgegenkommt, hält er für wahrscheinlich. Denn dass allein der Gesundheitssektor mit 3000 ausländischen Ärzten ohne Zuwanderung kollabieren würde, ist allen klar. Deshalb sieht Schwarz in dem Votum weniger Ausländerfeindlichkeit und mehr Wachstumskritik verborgen. Die gelte es ernst zu nehmen.

Dieser Artikel erschien in den «Voralberger Nachrichten» am 22. Februar 2014.
Mit freundlicher Genehmigung der «Voralberger Nachrichten».