Die Zuwanderer können die AHV nicht retten. Avenir Suisse hat die optimistischen Annahmen des Bundesrates zur Finanzierung der ersten Säule überprüft: Wer ohne Wunschdenken rechnet, kann die Zuversicht der Landesregierung nicht teilen.

Der Bundesrat beruhigte das Volk Mitte Mai: Aufgrund der stärkeren Zuwanderung sei die Finanzierung der AHV deutlich länger gesichert als bisher angenommen. Avenir Suisse hat die neuen Annahmen des Bundesrates in das eigene AHV-Finanzierungsmodell eingespeist – und kann den Optimismus der Landesregierung nicht teilen: Die höheren Zuwandererzahlen bringen uns gerade einmal zwei Jahre, der AHV-Fonds entleert sich statt wie im Basisszenario ab 2013 im Szenario mit hoher Zuwanderung «erst» ab 2015 dauerhaft und ist statt Anfang 2026 ab Mitte 2028 völlig leer. Das Umlageergebnis sinkt gar in beiden Szenarien schon ab 2013 permanent in die roten Zahlen, mit immer schneller steigenden Defiziten in den Folgejahren.

Der Schuldenberg wächst rasch

Wie kann es sein, dass die Prognose von Avenir Suisse trotz vergleichbaren Annahmen deutlich pessimistischer ausfällt als jene des Bundesrates? Die Antwort lautet: Sie tut es gar nicht. Zumindest nicht in erheblichem Ausmass:

  • Der Bund spricht von einem «schmelzenden AHV-Vermögen» ab 2020. Nominell und absolut gesehen, schrumpft der AHV-Fonds auch gemäss Rechnung von Avenir Suisse tatsächlich erst ab 2019. In Relation zu den (schnell steigenden) Ausgaben setzt die Vermögensabnahme jedoch eine ganze Legislaturperiode früher ein.
  • Der AHV-Fonds wird gemäss Bund «um das Jahr 2025» die kritische Schwelle von 50% der Jahresausgaben unterschreiten. Das stimmt ziemlich genau mit der Prognose von Avenir Suisse (2024) überein. Wem dieses Szenario wenig dramatisch erscheint, der vergisst: Das Defizit in der Jahresrechnung ist zu jenem Zeitpunkt schon sehr gross, und es steigt exponentiell weiter an. Nur vier Jahre später wird der Fonds deshalb völlig ausgehöhlt sein, bis 2030 wächst ein riesiger Schuldenberg heran.

Es ist also nicht so sehr die (vermeintlich) optimistische Rechnung des Bundesrates, sondern dessen optimistische Ausdrucksweise, die verblüfft. Denn eine Reform der AHV ist auch bei stärkerer Zuwanderung nicht weniger dringlich. Langfristig einen jährlichen Einwanderungssaldo von 40 000 statt 15 000 Personen anzunehmen, scheint zudem angesichts der gegenwärtigen emotionalen Diskussionen um einen Einwanderungsstopp etwas vermessen. Das heisst: Die Schweiz braucht sanfte AHV-Reformen (wie z.B. die von Avenir Suisse 2009 vorgeschlagene schrittchenweise Erhöhung des Rentenalters) heute, damit sich drastische Einschnitte in der Zukunft verhindern lassen.

Dieser Artikel erschien im «avenir aktuell» vom Juli 2011.