Die vier Kriterien einer wirkungsvollen Klimapolitik (vgl. Teil 1) sind vor allem als Grundlage zur Beurteilung von angedachten Massnahmen zu verstehen. Gerade die Beurteilung der Effektivität und Effizienz eines Instruments fällt aber natürlich im Rückblick leichter.

Nachfolgend werden deshalb die bisherigen Instrumente der Schweizer Klimapolitik (Basis CO2-Gesetz in der Fassung von 2013) anhand der vier Kriterien beurteilt. Ausschlaggebend für die Bewertung ist die heutige, realpolitische Umsetzung und nicht das theoretische, ökonomische Potenzial der Massnahme, das betreffende Kriterium zu erfüllen.

Da die Datenlage für einen quantitativen Vergleich ungenügend ist, wird mittels kreisförmiger Diagramme (sog. Harvey Balls) eine qualitative Einschätzung je Massnahme und Kriterium vorgenommen. Aus der nachfolgenden Betrachtung lässt sich ableiten, welche Massnahmen in Zukunft für eine wirkungsvolle Klimapolitik ausgebaut, angepasst oder fallengelassen werden sollten.

Effektivität

  • Bei der Effektivität schneidet die Kompensationspflicht für Treibstoffe am besten ab. Sie adressiert ein knappes Drittel des Schweizer Treibhausgas-Ausstosses (THG), auch wenn von den Gesamtemissionen des Verkehrs erst 12% kompensiert werden müssen.
  • Weniger effektiv sind die CO2-Abgabe auf Brennstoffen und das Emissionshandelssystem (EHS). Während die Abgabe mit einem hohen Scope punktet (gut ein Drittel aller Emissionen), ist der Scale mit 4,3% bis 7,1% über zehn Jahre relativ gering. Einen deutlich geringeren Scope hat das EHS: Es nehmen nur 55 Produktionsanlagen teil, die zusammen für 10% des gesamten THG-Ausstosses der Schweiz verantwortlich sind. Es wird im Vergleich zu den 40% des EU-EHS nur ein geringer Teil der gesamten Schweizer THG-Emissionen abgedeckt. Der jährliche Kürzungsfaktor von 1,74% bis 2020 und 2,2% ab 2021 – und damit der Scale – ist gleich gross wie in der EU.
  • Abgefallen rangieren das Gebäudeprogramm und die Emissionsvorschriften für Neuwagen. Ersteres fokussiert auf die Infrastruktur (Wärmeerzeugung, Isolation) – das Benutzerverhalten (Heizung aufdrehen) wird durch die Massnahme nicht adressiert. Das gleiche kann von den Emissionsvorschriften gesagt werden. Sind die technischen Vorgaben erfüllt, setzt es keine Anreize zu sparen, sprich weniger mit dem Auto zu fahren.

Effizienz

  • Das EHS schneidet bezüglich Effizienz am besten ab. Grund ist die Verknüpfung des Schweizer EHS mit dem europäischen. THG werden innerhalb Europas dort eingespart, wo dies zu den geringsten Kosten möglich ist. Noch besser wäre es, ein weltweites EHS zu haben – doch dies erscheint unrealistisch.
  • Die CO2-Abgabe und die Kompensationspflicht sind ziemlich effizient. Sie bepreisen den THG-Ausstoss bzw. den zugrundeliegenden Energieträger direkt und ermöglichen damit eine Angleichung der Grenzvermeidungskosten der Akteure. Dies führt wiederum dazu, dass die Emissionen da reduziert werden, wo es am günstigsten ist. Ein Makel ist die Inlandfokussierung. Die CO2-Abgabe strebt eine Lenkungswirkung innerhalb der Schweiz an und ignoriert dabei, dass eine Reduktion um die gleichen Beträge im Ausland deutlich günstiger sein könnte. Die von der Kompensationspflicht betroffenen Treibstoffimporteure müssen eine genügende Anzahl Bescheinigungen des Bundesamts für Umwelt beschaffen, das mit dem Erlös Reduktionsprojekte oder -programme finanziert; der Fokus liegt dabei – wie bei der CO2-Abgabe – auf dem Inland.
  • Beim Gebäudeprogramm und den Emissionsvorschriften leidet die Effizienz darunter, dass statt den THG-Emissionen Gegenstände subventioniert bzw. besteuert werden. Der Ausstoss bei Nutzung des Gegenstandes bleibt bei diesen beiden Massnahmen finanziell unangetastet. Immerhin setzen die Emissionsvorschriften auf eine Belastung und nicht wie das Gebäudeprogramm auf eine finanzielle Förderung. Letzteres erweist sich aufgrund der Kosten von bis zu 450 Mio. Fr. pro Jahr als eine im Vergleich zur Reduktionswirkung sehr teure Massnahme.

Kostenwahrheit

  • Kostenwahrheit kann per Definition nur hergestellt werden, wenn die Klimamassnahme einen Preismechanismus hat. Aus diesem Grund können hier nur die CO2-Abgabe, die Kompensationspflicht sowie – mit etwas Abstand – auch das EHS hohe Werte erzielen. Das EHS liegt zurück, da ein grosser Teil der Emissionsrechte kostenlos vergeben wird.
  • Das Gebäudeprogramm und die Emissionsvorschriften stellen keine Kostenwahrheit her. Sie versuchen zu lenken, lassen sich dabei aber nicht vom Gedanken der Internalisierung leiten.

Technologieneutralität

  • Bei der CO2-Abgabe, dem EHS und der Kompensation ist die Technologieneutralität uneingeschränkt gegeben. Sie erhalten den vollen Erfüllungsgrad.
  • Die Emissionsvorschriften für Neuwagen lassen immerhin die Freiheit, zwischen verschiedenen Antriebskonzepten zu entscheiden. Doch bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge sind nicht davon betroffen, ebenso wird nicht berücksichtigt, ob ein Elektrofahrzeug klimaneutral geladen wird.
  • Das Gebäudeprogramm gibt detailliert vor, wie die Emissionsreduktionen erzielt werden sollen. Das Kriterium der Technologieneutralität ist deshalb nicht erfüllt.

Insgesamt schneiden die drei stärker marktbasierten und direkt auf die Emissionen zielenden Klimamassnahmen – die CO2-Abgabe auf Brennstoffe, das Emissionshandelssystem und die Kompensationspflicht für Treibstoffe – deutlich besser ab als die stärker dirigistischen Gebäudeprogramme und Emissionsvorschriften für Neuwagen. Dennoch besteht auch bei den drei erstgenannten noch Verbesserungspotenzial. Insbesondere die Effektivität könnte – durch eine Ausdehnung der Massnahmen – substanziell gesteigert werden. Gleiches gilt für die Effizienz, hier ist es vor allem der Inlandfokus, der eine bessere Bewertung verhindert. Die zukünftigen Massnahmen sollten sich nicht nur an den vier Kriterien einer wirkungsvollen Klimapolitik orientieren, sondern auch aus den Erfahrungen der bisherigen Instrumente lernen.

Die Schweiz ist aktuell für etwa für 0,1% des jährlichen weltweiten THG-Ausstosses verantwortlich, addiert man alle Importe (und zieht die Exporte ab), sind es gut 0,2%. Die Entwicklung ihres eigenen THG-Ausstosses wird keinen Einfluss auf die Auswirkungen des Klimawandels haben. Trotzdem sollte sie als eines der reichsten Länder der Welt beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen.

Eine Vorbildrolle einnehmen heisst aber: keine Symbolpolitik, kein Moralismus – und vor allem keine überteuerten, ineffizienten Massnahmen, die ja dann auch kaum von anderen Ländern übernommen würden. Gefragt ist eine marktnahe, effektive Klimapolitik, die unserem Land mit seiner langen freiheitlichen Tradition gut ansteht und die beweist, dass Klimaschutz und Wirtschaftswachstum keine Widersprüche sind. Die Schweiz sollte sich zudem als Diplomatin für multilaterale Klimaabkommen und kluge überstaatliche Lösungen einsetzen. So kann sie – zum Wohle aller – im Kampf gegen den Klimawandel mehr erreichen, als ihr mit eigenen Reduktionsmassnahmen (auf eigenem Grund und Boden) möglich wäre.

Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie in unserer Studie «Wirkungsvolle Klimapolitik».