Unter der Federführung der Standortinitiative digitalswitzerland und in Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnerorganisationen fand letzten Dienstag, 21. November, der erste Schweizer Digitaltag statt. Über 40 Unternehmen, Hochschulen und Institutionen zeigten landesweit auf, was Digitalisierung heute und in Zukunft konkret bedeutet. Dafür verwandelte sich unter anderem der Hauptbahnhof Zürich für den Tag in einen digitalen Spielplatz: Einerseits informierten moderierte Formate die Besucher über Themen rund um die Digitalisierung, andererseits konnten Neugierige an den zahlreichen Ständen diverser Unternehmen direkt in Kontakt mit den neuesten Technologien treten. Der Anlass machte auch den Reformbedarf im Bildungswesen deutlich.

Im Zentrum des Programms stand eine breite Palette von wirtschafts-, bildungs-, sicherheits- und gesellschaftspolitischen Fragen. Der Aktionstag fokussierte dabei weitgehend auf den Chancen und positiven Aspekten der Digitalisierung. So diente der mit zahlreichen Angeboten ausgestattete Anlass unter anderem dazu, der Bevölkerung die Angst vor der Digitalisierung zu nehmen und sie über ihre verschiedenen Facetten aufzuklären. Dieses Anliegen ist berechtigt, schliesslich hat uns die Digitalisierung ungeheuren Fortschritt und Vorteilte gebracht, welche auch von diffusen Ängsten und Bedrohungsgefühlen begleitet werden.

Um jedoch im Hinblick auf die Digitalisierung die für eine sachorientierte Diskussion notwendige Vertrauensbasis zwischen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu schaffen, braucht es mehr als nur die Hervorhebung positiver Aspekte in Form eines Grossanlasses. Denn was schlussendlich zählt, sind die konkreten Massnahmen, die auf den Digitaltag folgen müssen. Grosser Handlungsbedarf und viel Potential, so auch der grundsätzliche Tenor am Aktionstag, besteht vor allem in den Bereichen Bildung und Ausbildung.

Digitale Lehrmaterialien müssen den Unterricht in Zukunft sinnvoll ergänzen (Bild: Fotolia)

Die Bildungspolitik als liberalstes Instrument politischer Steuerung in Zeiten der Digitalisierung

Die Bildungspolitik gilt als liberalstes Instrument, mit dem der Staat die digitalen Umwälzungen jeglicher Bereiche begleiten und allfällige, böse Überraschungen abfedern kann. Auch die erste grössere Veranstaltung des Digitaltags widmete sich dem Thema der zukünftigen Bildung, namentlich der Förderung eines sinnvollen Umgangs mit den neuen technischen Medien und Applikationen (Stichwort «Medienkompetenz»). Diese Lücke versucht man zurzeit im Rahmen des Lehrplans 21 mit dem Fach «Medien und Informatik» zu schliessen.

Die Medien- und Anwendungskompetenz der digitalen Geräte ist zweifellos ein essentieller Bestandteil der heutigen Bildung. Jedoch darf es nicht nur bei der gelernten Anwendung oder dem blinden «Konsum» der technischen Medien bleiben. Kinder sollen in Zukunft auch Programmieren lernen und dadurch ein Verständnis von den täglich benutzten Medien erhalten. So sollten sie wenigstens in Grundzügen verstehen, wie diese Maschinen funktionieren und auf welcher inneren Logik die Digitalisierung fusst. Insofern ist unter anderem das Vorhaben der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), Informatik als Pflichtfach am Gymnasium einzuführen, begrüssenswert[1]. Dies nicht, um in Zukunft partout nur noch Informatikerinnen und Informatiker auszubilden, sondern weil Informatik wichtige Grundkompetenzen wie eigenständiges, kreatives, kritisches und logisches Denken begünstigt. Schliesslich müssen dadurch neue Problemstellungen durch innovative Antworten und auf experimentelle sowie exakte Herangehensweise gelöst werden. Ansonsten werden die zukünftigen Generationen nur die technologischen Produkte bedienen, die Weiterentwicklung der Technologie aber aufgrund des mangelnden Verständnisses nicht mitgestalten können.

Digitale aber auch nicht-kognitive Kompetenzen müssen gefördert werden

Dabei sollen die negativen Auswirkungen der (Über-) Nutzung digitaler Medien bei Kindern und Jugendlichen nicht unbeachtet bleiben. Probleme wie zunehmende, teils durch Handy und Internet bedingte, Schlafstörungen und Stresszustände bei jüngeren Generationen müssen ernst genommen werden. Ein totaler Ausschluss der Geräte bei den Bildungsmöglichkeiten ist jedoch nicht zielführend, denn Kinder und Jugendliche müssen lernen, mit alltäglichen, digitalen Medien umzugehen und die Prozesse dahinter zu verstehen. Hier gilt es jedoch den Ausgleich zwischen der Förderung digitaler aber auch breiter gefasster, menschlicher Kompetenzen zu suchen. Diese Kompetenzen, wie beispielsweise Empathie, Eignung für Teamwork, Versatilität, kritisches Denken, Sozialkompetenz oder Führungsqualitäten, bilden nämlich die komparativen Vorteile, welche Menschen gegenüber Maschinen aufweisen.

Ein zukünftiges Bildungssystem muss also sowohl die nur schwer automatisierbaren Fähigkeiten als auch digitale Kompetenzen und ein Grundverständnis für maschinelle Logik fördern. Dies gilt als Voraussetzung dafür, dass Mensch und Maschine in Zukunft in einem ergänzenden Arbeitsverhältnis zueinander stehen werden und erstere diese mündig bedienen können. Hier bildet die Bildung/Ausbildung die nachhaltigste Prävention gegen die allfälligen, unangenehmen, Begleiterscheinungen der Digitalisierung. Reform- und Handlungsbedarf bestehen dabei auf allen Bildungsebenen sowie bei der Ausbildung des Lehrerpersonals und der Bereitstellung von entsprechendem Lehrmaterial. Letztendlich müssen digitale Kompetenzen in jeglichen Bildungs- und Themenbereichen Einzug halten. Wie konkrete Reformen für die Berufslehre, Gymnasien, Mittelschulen und Volksschulen aussehen könnten, lässt sich in der kürzlich erschienen Publikation «Wenn die Roboter kommen» nachlesen. Ferner wird Avenir Suisse in Kürze eine Studie zur zukünftigen Hochschullandschaft Schweiz veröffentlichen.

[1] IT sollte nur als Pflichtfach eingeführt werden, nicht als Grundlagefach (ähnlich wie das Fach «Wirtschaft und Recht»). Es nimmt somit keinen Einfluss auf die Maturitätsnote.