Projekte zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur werden in der Schweiz häufig aufgrund regionalpolitischer Erwägungen statt aufgrund verkehrspolitischer bzw. volkswirtschaftlicher Kosten-Nutzen-Rechnungen beschlossen. Dies zeigt zum einen das Nationalstrassennetz: Während die Hauptarterien im Mittelland eine hohe Verkehrsdichte aufweisen, werden zahlreiche Nebenstrecken kaum frequentiert (s. Abb.) – und trotzdem ist das Autobahnnetz quasi flächendeckend zweispurig ausgebaut. Allen Regionen wird also die gleiche Infrastrukturkapazität zugestanden, unabhängig von ihrem Verkehrsaufkommen.

Ungleichmäßige Verkehrsauslastung am Beispiel Nationalstrassen

Aber nicht nur das: Zwei der aktuell grössten Ausbauprojekte im Nationalstrassennetz liegen auf kaum befahrenen Nebenstrecken. Im Jura (6,3 Mrd. Fr.) und im Oberwallis (2,3 Mrd. Fr.) werden Autobahnen für insgesamt 9 Mrd. Fr. durch den Berg getrieben, obwohl das dortige Verkehrsaufkommen im nationalen Vergleich extrem gering ist. Es handelt sich in der Tat um lange geplante Lückenschlüsse im Nationalstrassennetz. Aber wäre ein moderater Ausbau der vorhandenen Strassen nicht angemessener gewesen als Luxusprojekte mit massiven Tunnelbauten? Angesichts knapper Finanzmittel und regelmässiger Staus auf den Hauptachsen stellt sich die Frage, ob diese Investitionen woanders nicht mehr Nutzen gestiftet hätten.

Aufaddierung regionaler Wunschlisten bei der Bahninfrastruktur

Ein weiteres Beispiel für die Politisierung der Investitionsentscheide ist die im Juni 2013 vom Parlament angenommene Vorlage für Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI). Diese sieht die Schaffung eines in der Verfassung verankerten, unbefristeten Bahninfrastrukturfonds vor, aus dem Betrieb, Unterhalt und Ausbau des Bahnnetzes finanziert werden und der den befristeten «FinöV»-Fonds ablöst.

Die Bundesratsvorlage hatte ursprünglich für die erste Ausbaustufe bis zum Jahr 2025 «nur» 3,5 Mrd. Fr. vorgesehen, aber der Ständerat erhöhte diese Summe kurzerhand auf 6,4 Mrd. Fr. – für zusätzliche Projekte. Dieser grosszügige Umgang mit Steuergeldern diente vor allem auch dazu, die Vorlage bei der obligatorischen Volksabstimmung 2014 mehrheitsfähig zu machen. Ein Ständemehr setzt voraus, dass die Mehrheit der Kantone durch Projekte für ihre Region befriedigt wird. Erste Listen möglicher Projekte für die zweite Ausbaustufe von FABI liegen bereits in den Schubladen.

Obwohl die Neuordnung der Bahnfinanzierung durch FABI durchaus sinnvolle Elemente enthält und obwohl auch der Lückenschluss im Nationalstrassennetz eine gewisse Legitimität hat, illustrieren dieses beiden Beispiele die Politisierung von Investitionsentscheiden im Verkehr und ihre unangenehmen Folgen: Das föderale Wunschkonzert führt zu einem Überausbau der Infrastruktur ohne Rücksicht auf langfristige Folgekosten (für Betrieb und Unterhalt). Knappe Finanzmittel werden häufig dorthin gelenkt, wo sie regionalpolitisch opportun, nicht aber verkehrspolitisch sinnvoll sind. Solange dieser Strukturfehler nicht behoben wird, wird sich die Kostenspirale aus wachsender Mobilitätsnachfrage und subventioniertem Kapazitätsausbau munter weiterdrehen.

Mehr zu diesem Thema erfahren sie im Diskussionspapier «Mobility Pricing: Wege zur Kostenwahrheit im Verkehr».