Seit April werden wieder Unterschriften für das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) gesammelt. Jedem Einwohner, jeder Einwohnerin der Schweiz soll ein monatliches Einkommen von 2500 Franken garantiert sein – unabhängig davon, ob er oder sie bereit ist, dafür jemals einen Finger zu rühren. Die Idee wird von den Initianten an diversen Veranstaltungen und im Internet hochtrabend als «neue Form des Denkens» verkauft, in einen philosophischen Kontext gesetzt und mit Slogans wie «wenn Freiheit keine Angst mehr macht» beworben. Geschickt wird damit suggeriert, Menschen mit anderer Meinung seien zu dieser neuen Denkweise, ja zu solch weitreichendem Philosophieren nicht fähig. Wer hingegen der Idee etwas abgewinnen kann, darf sich ein wenig klug fühlen. Die Werberei nimmt zuweilen sektiererische Züge an.

Die vorgebrachten Argumente sind haarsträubend und widersprechen sich teilweise auf gröbste Weise. So wird im Dokumentarfilm «Ein Dorf tut nichts» das Nichtstun des einen als Opfer betrachtet, das einem anderen ermögliche zu arbeiten – ein Opfer, das mit dem BGE entgolten werden solle. Bei anderer Gelegenheit wird das BGE als revolutionäre Befreiung vom Zwang zur Erwerbsarbeit (hier offenbar plötzlich nicht mehr Privileg, sondern Knechtschaft) gefeiert, um kurz darauf, bei den Berechnungen zu dessen Finanzierung, scheuklappengleich anzunehmen, es habe keinerlei negativen Einfluss auf die Erwerbsquote.

Bei einer gut ins Arbeitsleben integrierten Person mit hohem Einkommen mögen sich die negativen Auswirkungen des BGE auf den Arbeitseinsatz tatsächlich in Grenzen halten – auch das aktuelle System zur sozialen Sicherung beinhaltet ja nicht unwesentliche Fehlanreize. Zu glauben, auch ein heranwachsender Mensch unternehme ohne den Druck, Geld zu verdienen, genügend, um sich langfristig nicht selber zu entmündigen, zeugt jedoch von bemerkenswerter Naivität. Die Gefahr ist gross, dass sich durch das BGE ganze Gesellschaftsschichten, nämlich jene mit geringen Lohnaussichten, aus dem Erwerbsleben verabschieden.

Das BGE emanzipiert nicht, es entmündigt. Zudem ist es ungerecht: Es belohnt jene, die nicht arbeiten wollen, und bestraft jene, die nicht arbeiten können. Denn Letzteren garantiert der Staat schon heute ein existenzsicherndes Einkommen, das meist deutlich über dem vorgeschlagenen BGE liegt. Darüber hinaus stellt die Aufgabe des Anspruchs, leistungsunwillige und leistungsunfähige Personen zu unterscheiden, eine krasse Verletzung des Subsidiaritätsprinzips dar.

Befürworter bezeichnen das BGE gerne als «urliberal». Dieses erstaunliche Fehlurteil basiert vermutlich auf der Aussage, das BGE befreie vom Zwang zur Arbeit. Doch es kann gar nicht vom Zwang zur Arbeit befreien, denn ein solcher existiert nicht. Es existiert bisher einzig ein Zwang, die finanziellen Folgen der Arbeitsverweigerung selbst zu tragen. Den Wegfall dieses Zwangs als liberal zu bezeichnen, ist blanker Unsinn. Denn der Liberalismus paart die Freiheit immer mit Selbstverantwortung.

Dieser Artikle erschien am 19. September 2012 in der Zeitschrift «Cigar».