Die Zersiedelungsproblematik gewinnt zunehmend an Brisanz, ohne dass griffige Instrumente dagegen verfügbar sind. Der Flächenverbrauch hat sich in den letzten Jahren sogar beschleunigt.
Die bestehenden Raumplanungsinstrumente, aktuelle Initiativen und ein parlamentarischer Gegenvorschlag sind zu unflexibel, zu wenig differenziert, zu wenig aufeinander abgestimmt und schaffen, wie die aktuelle Steuerpolitik, mitunter Fehlanreize. Keines dieser Instrumente setzt bei Externalitäten an, also bei den der Allgemeinheit durch einzelne über Bodennutzung aufgebürdeten Schäden. Dabei haben Güter wie die Landschaftsqualität im öffentlichen Bewusstsein einen hohen Stellenwert erreicht.
Die Wirksamkeit der bisherigen Instrumente ist vor allem deshalb unzureichend, weil die finanziellen Belastungen des Baulandes zu gering sind. Studienergebnisse zur Bewertung von Umweltgütern und Infrastrukturkosten lassen sich hochrechnen und für verschiedene Siedlungstypen differenziert betrachten: Die externen Kosten eines abgelegenen Einfamilienhauses unterscheiden sich von denen einer Wohneinheit in einem Mehrfamilienhaus wegen höheren Flächenverbrauchs um den Faktor 10 bis 20; sie können jährlich einen mittleren fünfstelligen Betrag ausmachen. Dies wird bisher nicht durch die Verursacher, sondern durch die Allgemeinheit getragen, wodurch Zersiedelung querfinanziert wird. Es braucht deshalb einen Systemwechsel: eine Umschichtung der Steuerbelastung von Einkommen hin zur Bodennutzung unter Berücksichtigung der Externalitäten. Mit dieser Internalisierung wird die Zersiedelung– entsprechend ihren volkswirtschaftlichen Gesamtkosten – stark verteuert und eingedämmt. Ökonomische Anreize führen zu verantwortungsvollem Umgang mit dem Boden, ohne interventionistische Blockade, zentralistische Steuerung oder staatliche Verbote.
Die Liegenschaftssteuer wird neu zu einer Liegenschaftsabgabe. Ihre Bemessung erfolgt nachvollziehbar und verursachergerecht auf Grundlage der Externalitäten. Sie fällt somit 25fach höher aus. Die Abgabe wird auf die Parzellenfläche inkl. Erschliessungsstrassenanteil erhoben. Jährliche Gebühren statt einmaliger Beiträge schaffen dauerhaften Anreiz zur Verdichtung. Sie setzen bei Neueinzonungen und auch im Bestand an, um Nachverdichtung anzuregen. Die Erhebung erfolgt ab Einzonung zum Teil, ab Baubeginn in voller Höhe.
Die Abgabenhöhe variiert nach Lagen und Siedlungstypen mit unterschiedlichem Flächenverbrauch und unterschiedlichen Externalitäten, die bewertet und abgegolten werden. Die Fokussierung auf externe Kosten wird eine differenzierte und zielgerichtete Lenkungswirkung erreichen, weil die wahren Kosten dem Verursacher angelastet werden. Dies schafft Anreize zur Verdichtung und zur Abkehr von flächenintensivem, dispersem Bauen. Grundstücke mit hohen Externalitäten werden deutlich stärker belastet, so dass der Zersiedelungsdruck zurückgeht. Attraktive Parzellen mit weniger Externalitäten werden bevorzugt und verdichtet. Nicht benötigtes oder gehortetes Bauland wird freiwillig aufgegeben, Rückzonungsentschädigungen sind dann unnötig.
Die Mehreinnahmen aus dieser Abgabe auf Bodennutzung werden aufkommensneutral der Allgemeinheit zurückvergütet. Es handelt sich also um eine Lenkungsabgabe und nicht um eine zusätzliche Steuer, die die Staatsquote erhöhen würde. Die Einkommens- und Gewinnsteuer kann so um einen Drittel reduziert werden – eine Entlastung jedes Steuerzahlers um jährlich über 4 000 Franken. Durch die Lenkungswirkung der Abgaben werden die Siedlungsstrukturen kompakter, die Kosten der Infrastruktur verringert und Schäden an öffentlichen (Umwelt-)Gütern reduziert. Volkswirtschaftlich gesehen stellen diese Einsparungen Effizienzsteigerungen dar und führen zu einem Wohlfahrtsgewinn.
* Piet Justus Wolf (dipl. Architekt USI) hat 2012 an der Universität Zürich den Studiengang MAS UZH in Real Estate abgeschlossen.
Dieser Artikel erschien in der Sonderbeilage «Reformideen – Rohstoff für die Schweiz» des Schweizer Monats (Sonderthema 9/Februar 2013).
Weitere Beiträge in dieser Publikation:
Ideen braucht das Land (Einleitender Essay von Gerhard Schwarz)
Neue Becken für die Schweiz (Niklaus Bieri, Universität Bern)
Flexibles Rentenalter und Altersarbeit (Marion Haemmerli, Université de Lausanne)
Eine Lizenz zum Rauchen (Martin Eschenmoser, Universität St. Gallen)
Schulische Wettbewerbe für bessere Motivation (Xinyi Zhou, Universität Basel)
Autofreie Sonntage (Yannick Charpié, ETH Zürich)
Die Schweiz exportieren! (Harold James)