Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz hat mit seinen Überlegungen zum Service public der SRG eine längst fällige Debatte lanciert, der sich die Politik und die SRG bisher entzogen haben (TA vom 3. November). Er argumentiert als Wirtschaftswissenschaftler aus der Optik der Marktfreiheit. Es gibt aber noch eine andere Sicht auf das Problem: die Frage nach den Inhalten und der effizienten Erfüllung des Service public.

In der komplexen, vernetzten Welt, in der wir leben, kann eine einzige Institution wie die SRG den Ansprüchen eines Service public allein nicht mehr genügen. Dazu fehlt es ihr an Ressourcen und Kompetenz.

Dies zeigt sich deutlich etwa bei Wissenschafts- und Forschungsthemen. An sich gut gemachten Sendungen wie «Wissenschaft DRS 2», «Einstein» oder «Netz Natur» fehlt es an Kontinuität und Relevanz. Zukunftsweisende, aber wenig spektakuläre Forschungsergebnisse oder wichtige forschungspolitische Anliegen werden nicht thematisiert, weil es an attraktiven Bildern fehlt oder weil in den Redaktionen zu wenig Fachleute arbeiten, welche die Bedeutung eines wissenschaftlichen Themas einzuschätzen wissen – und dann auch durchsetzen können, dass es aufgenommen wird.

Wissenschaft und Technik sind nun aber gerade jene Bereiche, die unsere Zukunft bestimmen. Es wäre Aufgabe des Service public, sie öffentlich zu machen und zur Diskussion zu stellen.

Meinungsbildung bleibt

Auf eine öffentliche Radio- und Fernsehgesellschaft sollte die Schweiz unter keinen Umständen verzichten. Aber wir sollten das inzwischen 80-jährige Medienmonument SRG so umbauen, dass sich die Kompetenz und das geballte Wissen von externen Institutionen für den Service public nutzen lassen. Die SRG braucht Partner.

Konkret würde dies heissen: Die SRG produziert nur noch einen Teil der heutigen Sendungen mit eigenen Redaktionen. Es sind dies vor allem Nachrichten- und Informationssendungen, die für die politische Meinungsbildung und den Zusammenhalt der Schweiz bedeutsam sind. Der andere Teil der Programme wird künftig von unabhängigen, professionellen Produktionsunternehmen hergestellt, die den Zugang zum notwendigen Fachwissen und den Erfahrungswelten sicherstellen. Das mögliche Spektrum reicht hier vom Wissenschafts-, Medizin-, Wirtschafts-, Kultur- und Auslandmagazin bis zu Talkshows und Unterhaltungssendungen aller Art. Als Produktionsfirmen kommen sowohl Verlage wie auch kleine Medienunternehmen infrage, die von Institutionen speziell dafür gegründet werden. Ausschlaggebend sind das Wissen und die Kompetenz, die diese Medienunternehmen erschliessen können.

Verlagerung schafft Arbeit

Am Beispiel von Wissenschaft und Forschung lässt sich gut illustrieren, wie dieses Modell funktionieren könnte: Hochschulen und Bildungsinstitutionen der Schweiz gründen eine unabhängige Produktionsgesellschaft, die ein kleines Team von Wissenschaftsjournalisten und Medienleuten beschäftigt. Diese produzieren ein Fernsehmagazin rund um Wissenschaft, Forschung und Innovation. Das Magazin wird in einem festgelegten Sendefenster des Schweizer Fernsehens ausgestrahlt. Die Produktionsgesellschaft arbeitet unabhängig von den Interessen einzelner Hochschulen, ist aber über einen Beirat und direkte Kontakte mit der Forschungslandschaft Schweiz vernetzt und dadurch eng am Puls der aktuellen Entwicklung.

Selbstverständlich müssen Unabhängigkeit und journalistische Freiheit gewährleistet sein. Und selbstverständlich müssen die Sendungen ihr Publikum erreichen. Der Wettbewerb würde das sicherstellen. Die Sendefenster würden alle fünf Jahre öffentlich ausgeschrieben.

In diesem Modell wird die SRG ein starkes, nationales Medienhaus bleiben. Doch sie wird nicht mehr für alle Sendeinhalte verantwortlich sein. Und sie wird einen Teil ihrer Konzessionsgebühren an externe Programmhersteller abtreten. Das macht sie heute schon, wenn sie ganze Spielshows oder Filmproduktionen an Private auslagert. Diese Verlagerung wird zudem den Arbeitsmarkt erweitern und für Fachjournalistinnen und -journalisten attraktive Berufs- und Karrieremöglichkeiten schaffen. Viele werden sie gerne anpacken.

Rolf Probala war Redaktionsleiter der «Tagesschau», später Leiter der Hochschulkommunikation der ETH Zürich.

Dieser Artikel erschien im Tages-Anzeiger vom 7. November 2011.