Jede Woche kam er – der Stellenanzeiger. Wie das beste Stück eines Hamburgers lag auch er in der Mitte der Tageszeitung. Mit dem Internet wurde er jedoch zunehmend zu einem Anachronismus. Denn Big Data, Social Media und die Automatisierung haben nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern auch die Personalbeschaffungsprozesse sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer aufgemischt. Für die Stellensuche kann der Arbeitnehmer heute auf verschiedenste Online Portale, Social Media Plattformen, Blogs und Apps zurückgreifen. Auch für Arbeitgeber eröffnen neue Technologien innovative Möglichkeiten. Doch auch auf dem Stellenmarkt gilt das Spiel zwischen Angebot und Nachfrage.
HR muss Umdenken
Während Big Data in der Kommunikations-, Marketing- und Finanzbranche längst als Produktivitätstreiber eingesetzt werden, hinkt das Personalmanagement bei der Ergänzung bestehender Prozesse mit intelligenten Daten hinterher. Dies liegt wesentlich an der Überzeugung, dass der Mensch im Zentrum eines Personalbeschaffungsprozesses stehen soll und dessen soziale Komplexität nicht auf eine algorithmische Logik reduziert werden kann. Doch mit der zunehmenden Erkenntnis zur Bedeutung geeigneter Berufskandidaten wie auch zur Nutzung intelligenter Daten als Marktvorteil können sich Personalabteilungen diesem digitalen Wettbewerb nicht länger entziehen. Denn wer bessere Informationen über den Markt und seine potenziellen Kunden (hier Berufskandidaten) besitzt, wird sich im Wettbewerb durchsetzen können. Gerade in der Schweiz, wo die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften hoch ist, wären alternative Rekrutierungsstrategien essenziell. Die Anwendungsmöglichkeiten für Unternehmen sind dabei vielfältig. So kann anhand von Performance-Analysen bestehender Mitarbeiter und Teams ermittelt werden, welche Kompetenzen bei neuen Bewerbern besonders wichtig sind. Neben den Online-Business-Portalen wie XING und LinkedIn sind neue Anbieter in den Markt getreten, die Hilfe im Rekrutierungsprozess bieten. So etwa Spotyourstudent.ch, der verspricht, durch eine Kombination zahlreicher Kanäle in kürzerer Zeit eine grössere Menge an Studenten zu erreichen als ein traditionelles Inserat. Das Kölner Start-up Jobmehappy integriert sogar den Facebook-Messenger in die Jobsuche, wobei ein Chatrobot das Gespräch mit dem Jobsuchenden übernimmt. Das «Robotrecruiting» – momentan noch in den Kinderschuhen – könnte den Bewerbungsprozess verstärkt übernehmen. Diesen Veränderungen steht schliesslich eine neue Erwartungshaltung auf Seiten der Arbeitnehmer gegenüber. Heute möchten die richtigen Leute zur richtigen Zeit über die richtigen Kanäle angesprochen werden. Neue Formen der Jobsuche sind gerade in der Entstehung. So ist es heute bereits möglich, auf dem Smartphone mit der einfachen Wisch-Bewegung zu einem neuen Job zu kommen. Gerade für die «Digital Natives» ist das natürlich attraktiv. Ein Beispiel für eine solche App ist Zoek, welche in Grossbritannien schon rege genutzt wird. Es funktioniert ähnlich wie Tinder, nur dass man anstatt nach einem reinen Vergnügen nach einer ernsthaften Beschäftigung sucht. Die App lernt von den Präferenzen des Nutzers und schlägt anschliessend immer besser zugeschnittene Stellen vor. Arbeitssuchende «Smart Natives» werden vermehrt auf solche Möglichkeiten zurückgreifen müssen, um sich im Stellenmarkt zu positionieren.
Andere Erwartungen
Mit der Digitalisierung kommen ständig innovative Ideen auf den Rekrutierungsmarkt, die sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber in ein Spannungsfeld versetzen. Arbeitgeber müssen eine Balance finden zwischen dem effizienten Einsatz intelligenter Daten und der Beibehaltung wesentlicher persönlicher Aspekte der Personalbeschaffung. Arbeitnehmer müssen entscheiden, wie viel Präsenz sie im digitalen Arbeitsmarkt markieren wollen, ohne dabei ihre Privatsphäre zu kompromittieren. In Zukunft müssen die Personalabteilungen wie auch Datenschutzfachkräfte noch viel investieren, um Wettbewerbsfähigkeit und Privatsphäre miteinander zu vereinen. Der Strategiepluralismus, bedingt durch Innovationen sowohl bei der Personalbeschaffung als auch bei der Stellensuche, ist jedoch zu begrüssen.
Dieser Artikel erschien im Juni 2017 in der 37. Ausgabe des Hochschulmagazins «ZHAW-Impact»