Die Frage, wie es um das Wohlergehen der Zentralschweizer Wirtschaft steht, lockte gestern Abend zahlreiche Vertreter aus Wirtschaft und Politik an die Perspektivenveranstaltung 2013 ins KKL. Und obwohl an der 20. Ausgabe des Anlasses eine ordentliche Hustenwelle durchs KKL hallte, hat sich die hiesige Wirtschaftsregion von der Krankheit, die ennet der Grenze in Europa grassiert, nur unwesentlich angesteckt. Als «positive Stagnation» bezeichnete BAK-Basel- Chefökonom Boris Zürcher die leichte Erkältung, unter der die Schweizer Wirtschaft leidet. Die Wirtschaft wachse zwar, sie schöpfe aber ihr Potenzial nicht aus, so Zürcher.
Sprinterin unter den Regionen
Gut sieht es laut der Prognose der Basler Konjunkturforscher für die Zentralschweizer Wirtschaft aus: Auch im kommenden Jahr spielt die Region im schweizweiten Wachstumsvergleich vorne mit. «Die Zentralschweiz zählt zu den Sprintern bezüglich Wachstum», so Zürcher. Zusammen mit Genf und der Waadt wächst die hiesige Region im innerschweizerischen Vergleich am stärksten – um 1,6 Prozent legt die Zentralschweizer Wirtschaft im kommenden Jahr zu. 9 Prozent tragen damit die Unternehmen und Institutionen der Zentralschweiz zu der landesweiten Wirtschaftsleistung bei. Die 1750 Besucher nahmen diese guten Neuigkeiten mit Beruhigung und Genugtuung zur Kenntnis. Sie, die Unternehmer, Managerinnen, Politiker und Angestellten, sind es auch, die einen wichtigen Beitrag an dieses Wachstum leisten. Damit dies in Zukunft so bleibt, rief Victor Bucher, Regionalleiter Deutschschweiz von Ernst & Young, die Entscheidungskraft der Zuhörer für die Region in Erinnerung. «Mit Ihrem Handeln und Ihren Entscheiden sorgen Sie dafür, dass diese Region auch in Zukunft ein erfolgreicher und pulsierender Wirtschaftsraum bleibt», so Bucher.
Die mageren Neunzigerjahre
Die Schweizer Wirtschaft sei im Vergleich zum europäischen Ausland nicht immer eine «Insel des wirtschaftlichen Erfolgs» gewesen, sagte Gastredner Gerhard Schwarz. Der Direktor von Avenir Suisse erinnerte an die für die Schweiz schwierigen wirtschaftlichen Neunzigerjahre. Damals dominierten in den Zeitungen Titel wie «Magere Aussichten für die Schweiz» oder «Die Schweiz steuert auf eine Rezession zu». Bis ins Jahr 2001 habe die Schweiz stark an Wettbewerbsfähigkeit verloren. «Erst nach der Jahrtausendwende hat die Schweiz den Tritt wiedergefunden», erzählte Schwarz. Ausschlaggebend seien diverse Reformen gewesen, welche der Schweizer Wirtschaft wieder wichtige Impulse verliehen hätten: die Öffnung des Binnenmarktes, die Personenfreizügigkeit, der neue Finanzausgleich, der Ausbau der Fachhochschulen. «Das waren Reformen, die der Schweiz geholfen haben», sagte Schwarz.
Auch Grundrechte überdenken
Der Avenir-Suisse-Direktor zeigte in seinem Referat auf, dass in der Schweiz wieder wichtige Reformen anstehen würden. Die hohe Zuwanderung, die Alterung der Schweizer Bevölkerung, die zunehmende Regulierung auf dem Arbeitsmarkt oder der harte Franken seien «grosse Herausforderungen» für die Schweizer Wirtschaft und Politik. Die Schweiz dürfe sich jetzt nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern müsse diese Reformen anpacken. Dabei dürfe es keine Tabus geben, so Schwarz. «Auch Gutes kann man verbessern », sagte er. So plädierte Schwarz gestern unter anderem für eine Entpolitisierung des Umwandlungssatzes in der zweiten Säule, forderte vehement ein Verursacherprinzip bei der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs und sprach sich für Energietarife zu Marktpreisen aus. Selbst die politischen Grundrechte müssten überdacht werden: «Es ist heute zu einfach, eine Initiative zu lancieren», sagte Schwarz. Avenir Suisse schlägt deshalb vor, die Unterschriftenzahl für Referenden und Initiativen zu verdoppeln.
Dieser Artikel erschien in der «Neue Luzerner Zeitung» vom 31. Oktober 2012.