Schon wieder ein graues Couvert in der Post! Diesmal ist es aber keine Rechnung, nein, es sind die Abstimmungsunterlagen. Die nächste eidgenössische Abstimmung steht an, wobei sich die Vorlagen um unsere Ernährungssicherheit und die Reform der Altersvorsorge drehen. Themen von solch weitreichendem Ausmass, da kommt es auf die eine Stimme mehr oder weniger sowieso nicht an, oder? Wieso soll man sich also damit auseinandersetzen; wieso soll man das Abstimmungsbüchlein überhaupt durchlesen?
Das politische Mitspracherecht ist so selbstverständlich, dass wir uns zuweilen dessen Bedeutung und Einzigartigkeit nicht mehr bewusst sind. Auch Minderheiten sind dank der direkten Demokratie dazu im Stande, ihre Anliegen und Interessen einzubringen. Diese Haltung prägt seit jeher die Willensbildung in der Schweiz und hält die unterschiedlichen Regionen, sozialen Schichten oder Wirtschaftsbranchen im Gleichgewicht.
Die direkte Demokratie ist also ein wichtiger Pfeiler unserer Staatsordnung. Doch die regelmässigen Abstimmungen werfen regelmässig die Frage auf, ob eine Stimmbeteiligung von weniger als der Hälfte der Stimmberechtigten die Legitimität von Resultaten tangiert. Gerade darum stehen insbesondere junge Menschen in der Pflicht, denn bei politischen Entscheidungen von langfristigem Ausmass sind sie oft gegenüber älteren Generationen untervertreten. Solange sich nicht genug Junge an den Urnengängen beteiligen, werden Angelegenheiten förmlich über ihren Kopf hinweg entschieden.
Rund um Abstimmungswochenenden kursieren stets gebräuchliche Schlagwörter, die zu Beginn abstrakt klingen mögen. Dieses Glossar für Politikneulinge soll jene Begriffe verständlich erklären.
B wie Bundesrat
Der Bundesrat besteht aus sieben gleichgestellten Mitgliedern und regiert nach dem Kollegialitätsprinzip. Dazu gilt der Grundsatz der Konkordanz, wonach sich das Gremium aus Vertretern der unterschiedlichen Sprachregionen und Parteien formiert sowie seine Entscheide auf Kompromissen beruhen. Jeweils für ein Jahr wird aus seiner Mitte ein Bundespräsident oder eine Bundespräsidentin gewählt, welcher jedoch nicht im Sinne eines Staatschefs seinen Kollegen überlegen ist, sondern als primus inter pares repräsentative Aufgaben übernimmt und die Bundesratssitzungen leitet. Eine weitere Eigenschaft der Schweizer Landesregierung ist das Departementsprinzip. Jeder Bundesrat ist zugleich auch der Vorsteher eines Bundesdepartements.
Diese sieben Departemente setzen sich zusammen aus dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI), dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD), dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) sowie dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).
D wie Demokratie
Das Wort Demokratie stammt aus dem Griechischen und heisst so viel wie die «Herrschaft des Volkes». Nicht ein allwissendes Oberhaupt, sondern eben das Volk ist im Staat als oberste Instanz vorgesehen. In der Schweiz wird die Bevölkerung viermal jährlich hinsichtlich Gesetzen, Sachfragen oder dem Finanzhaushalt auf Gemeindeebene konsultiert.
F wie Föderalismus
Die Staatsgewalt ist in der Schweiz auf den Bund, die Kantone als Gliedstaaten und die Gemeinden aufgeteilt. Das in der Bundesverfassung festgehaltene Subsidiaritätsprinzip sieht vor, dass Entscheidungen je nach Möglichkeit möglichst auf die unteren Staatsebenen anzusiedeln sind. Somit stehen dem Bund lediglich diejenigen Geschäfte zu, welche ihr auch durch die Verfassung übertragen werden. Sämtliche anderen Aufgaben fallen in den Entscheidungsbereich der Kantone, sofern diese sie nicht an die Gemeinden delegieren.
G wie Gewaltenteilung
In einer Demokratie verteilt sich die Staatsgewalt auf die Legislative, die Exekutive und die Judikative. Diese gesetzgebenden, ausführenden und richterlichen Gewalten sind voneinander auch personell getrennt, damit sie sich nicht gegenseitig behindern oder beeinflussen.
K wie Konkordanz
Konkordanz bedeutet auf Lateinisch so viel wie «Übereinstimmung» und hat einen ähnlichen Sinngehalt wie das Wort Kompromiss. Dieser Gedanke wird in der Schweiz beispielsweise durch die Gleichstellung der im Ständerat vertretenen Kantonen oder im Bundesrat umgesetzt. Ausserdem bietet sich bei neuen Gesetzesentwürfen der Öffentlichkeit die Möglichkeit, im Vernehmlassungsverfahren ein Feedback einzureichen. Indem Wirtschaftsverbände, Parteien und Privatpersonen zur Meinungsäusserung eingeladen werden, wird in dieser entscheidenden Phase des politischen Prozesses eine breit abgestützte Lösung begünstigt. Eine gewisse Trägheit ist also keine zwingend schlechte Eigenschaft, sondern rührt von einer Besonnenheit, welche in der politischen Entscheidungsfindung zum Tragen kommt.
P wie Parlament
Das Schweizer Parlament ist nach dem Zweikammersystem aufgebaut und besteht aus dem National- und Ständerat. Während der Nationalrat mit seinen 200 direkt gewählten Mitgliedern das Volk repräsentiert, steht der aus 46 Abgeordneten bestehende Ständerat für das Interesse der Kantone ein. Zusammen bilden die Parlamentarierinnen und Parlamentarier der beiden Räte die Vereinigte Bundesversammlung.
V wie Volksabstimmung
Viermal jährlich entscheidet das Schweizer Stimmvolk über zahlreiche Geschäfte. Rund 5.3 Millionen Schweizerinnen und Schweizer verfügen über das Stimm- und Wahlrecht, was einem Bevölkerungsanteil von 62 Prozent entspricht.
Die Volksinitiative sieht vor, dass Anliegen durch die Bevölkerung mittels 100’000 gesammelten Unterschriften innert 18 Monaten vorgeschlagen und zur Abstimmung gebracht werden können. Einerseits erlaubt das sogenannte Fakultative Referendum, mittels 50’000 Unterschriften innerhalb von 100 Tagen den Erlass oder die Änderung eines Gesetzes durch das Parlament dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Andererseits unterliegen durch das Parlament initiierte Verfassungsänderungen dem Obligatorischen Referendum.
W wie Wahlen
Die Schweiz kennt mit der Mehrheits- (Majorz) und der Verhältniswahl (Proporz) zwei verschiedene Wahlsysteme. Da Majorzwahlen oft erst nach zwei Wahlgängen entschieden werden, wird dabei weiter zwischen dem absoluten (mehr als 50 Prozent der Stimmen) und dem relativen Mehr (die meisten Stimmen für den Kandidaten) unterschieden. Die Proporzwahl kommt in den meisten Kantonen bei Nationalratswahlen zum Zuge.
Sogenannte Wahllisten spielen dabei für politische Kandidaten eine besonders entscheidende Rolle. Der Wähler kann Kandidaten streichen (wobei leere Zeilen immer noch als Stimme für die Partei zählen), kumulieren (zweimal aufführen) oder «panaschieren» (verschiedene Listen zusammenmischen).