Zwischen Corippo und Zürich liegen Welten. Die kleinste Schweizer Gemeinde hat zwölf Einwohner, eine Osteria und eine Verwaltung, die freitags von 14 bis 16 Uhr geöffnet ist. Zürich zählt bald 400 000 Einwohner.

Dazwischen gibt es 2500 Gemeinden unterschiedlichster Grösse. Für Avenir Suisse sind das zu viel. «Auch mit bloss halb so vielen Gemeinden wäre die Schweiz noch vergleichsweise kleinräumig gegliedert», sagt Lukas Rühli, der für die Denkfabrik die Gemeinden unter die Lupe genommen hat. Er weist nach, dass es um deren Zustand nicht sehr gut bestellt ist. Finanziell stehe die Mehrheit zwar relativ gut da, doch sei ihre Autonomie am Schwinden.

Die Regulierungsdichte steigt, die Anforderungen werden höher, Behörden und Verwaltungen stossen an ihre Grenzen. Im Durchschnitt nehmen die Gemeinden rund einen Drittel ihrer Aufgaben nicht mehr selbständig wahr, 11 von 31 Aufgaben delegieren sie an Zweckverbände. Bei wichtigen Aufgaben ist die Zusammenarbeitsrate sogar deutlich höher, Tendenz steigend. Die Zusammenarbeit reicht vom Zivilstandswesen über die Spitex bis zu den Schulen. Die lokale Mitbestimmung wird ausgehöhlt. «Viele interkommunale Körperschaften sind nicht demokratisch kontrolliert und werden von Fachvertretern dominiert», sagt Rühli. Diese suchten nicht immer die optimale Lösung – etwa wenn sie für die Feuerwehr ein luxuriöses Tanklöschfahrzeug beschaffen, wo es ein bescheidenes täte.

Oft geben Kantone Regeln vor, deren Vollzug und Finanzierung dann bei den Gemeinden liegt. Ausgeprägt ist dies im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen. Besonders gross ist die Kluft zwischen Regelungskompetenz der Kantone und Umsetzungspflicht der Gemeinden in den Kantonen Zürich, Uri, Aargau und Schwyz. Besser sieht es in Schaffhausen, Zug und Graubünden aus. Mustergültig ist Glarus, das nach der Gebietsreform nur noch drei Gemeinden hat. Auch anderenorts kam es zu Zusammenschlüssen. Seit dem Jahr 2000 sind 400 politische Gemeinden verschwunden.

Viele Projekte scheiterten aber an der Angst der Bevölkerung vor Identitäts- und Autonomieverlust. Es gibt auch andere Faktoren, welche Strukturreformen behindern. So werden in acht Kantonen kleine Gemeinden im Finanzausgleich ausdrücklich bevorzugt: Aargau, Graubünden, Luzern, Nidwalden, Schwyz, Uri, Wallis und Zug. Starke Gemeindevertretungen in den Kantonsparlamenten erschwerten Reformen oft zusätzlich, schreibt Rühli. Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz fordert Gemeinden und Kantone auf, ihre Strukturen zu überdenken und von guten Beispielen zu lernen: «Gemeinden müssen zu neuen Formen der demokratischen Zusammenarbeit finden, bis hin zur Fusion. Nur so können sie längerfristig ihre Bürgernähe behalten.» Die Alternative wäre eine weitere Zentralisierung der Aufgaben.

Dieser Artikel erschien in der «NZZ am Sonntag» vom 1. April 2012.
Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung.