Avenir Suisse postuliert pragmatische Wege, um Aufgabenperimeter und Gemeindegrenzen in Einklang zu bringen: richtige Anreize, Zusammenarbeit oder Fusionen. Für untauglich befunden werden Zweckgemeinden.
Die Denkfabrik Avenir Suisse hat ihr viertes Kantons-Monitoring den Rahmenbedingungen und dem Funktionieren der Gemeinden gewidmet. Nach wie vor ist ihre Dichte hoch (2551 Gemeinden für 7,8 Millionen Einwohner) und ihre durchschnittliche Bevölkerungszahl mit 3058 Einwohnern im europäischen Vergleich gering. Die Diagnose, wonach Aufgabenperimeter und kommunale Strukturen nicht mehr deckungsgleich sind, ist bekannt. Das gilt auch für die Feststellung, dass unzeitgemässe Gemeindestrukturen zu Kompetenzverlusten (Verlagerung zum Kanton) bzw. Demokratiedefiziten (Gemeindeverbände) führen.
Neu ist das pragmatische Vorgehen, das die Denkfabrik postuliert, um die Gemeinden, diese «Grundpfeiler des Erfolgsmodells Schweiz» mit Milizprinzip und hoher Bürgerbeteiligung, wieder zu stärken. Damit trägt sie den unterschiedlichen Voraussetzungen in den Kantonen Rechnung. Demnach gibt es drei Wege, die sich ergänzen können: Erstens die Beseitigung von Fehlanreizen durch die Kantone (beispielsweise der Verzicht auf gezielte Förderungen von Kleinstgemeinden), wobei sich hier die Gretchenfrage stellt, wie dezentral das Land besiedelt bleiben soll. Zweitens die demokratisch (durch Instrumente wie Initiative und Referendum) möglichst gut legitimierte Zusammenarbeit in Gemeindeverbänden. Und drittens Fusionen. Letztere seien eine ideale Lösung, sagt Monitoring-Autor Lukas Rühli. Sie könnten von oben angestossen werden, müssten aber von unten wachsen, und es sei in Betracht zu ziehen, dass dem (Rück-)Gewinn an kommunalem Handlungsspielraum eine grössere Distanz zwischen Bürger und Behörden gegenüberstehe. Um eine Mehrheit der Stimmenden von Zusammenschlüssen zu überzeugen, sei wohl ein bestimmtes Mass an Krisenhaftigkeit nötig, da sonst die Faktoren Identität und Tradition stärker gewichtet würden, mutmasst Rühli. Explizit keine Lösung sind für Avenir Suisse Zweckgemeinden, die in je nach Aufgabe unterschiedlichen funktionalen Räumen sektorielle Aufgaben wahrnehmen. Daraus würde ein schwer überschaubarer Flickenteppich resultieren, gleichsam ein Kanton Glarus vor der Reform hin zu nur noch drei Gemeinden, die ihre Aufgaben heute ohne Transferzahlungen wahrnehmen.
Bestandteil des Monitorings durch Avenir Suisse ist ein Ranking der Gemeindepolitik in den einzelnen Kantonen. Anhand von vier Indikatoren wurde analysiert, inwiefern die Kantone aktiv zur Stärkung ihrer Gemeinden beitragen. Neben Motivationen in die drei genannten Richtungen wurde als viertes Kriterium noch die Transparenz (und damit auch Vergleichbarkeit) der Rechnungslegung berücksichtigt. Dass nicht Glarus obenaus schwang, der Kanton, der in den letzten Jahren die bis anhin radikalste Gemeindereform vollzogen hatte, ist darauf zurückzuführen, dass dort die interkommunale Zusammenarbeit und die Förderung von Fusionen keine Kriterien mehr sind bzw. sein müssen.
Dieser Artikel erschien in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 31.03.2012. Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung.