Arthur Koestler schrieb über diese Erzählung: «Hunderte dicker Bände sind über die Jahre geschrieben worden, in denen die Herrenrasse ihre Reinheit wahren wollte, indem sie aus Leichen Seifen machte. Ich bin jedoch überzeugt, dass gerade dieses kleine Buch sich auf die Dauer behaupten wird.» Ich empfand ähnlich, als ich die Geschichte einer Freundschaft zwischen dem 16-jährigen Sohn eines   jüdischen Arztes und dem Spross eines schwäbischen Adelsgeschlechts vor dreissig Jahren zum ersten Mal las. Jetzt, beim Wiederlesen, stiess mir manchmal das Pathos der Pubertät etwas auf, allerdings ist es ein durchaus passendes Stilmittel.

In knappen Pinselstrichen vermittelt Uhlmann, wie Fanatismus und ideologische Verblendung in Stuttgart vom Alltag Besitz ergreifen und die schwäbische Idylle und selbst eine so tiefe Freundschaft zerstören. Hans Schwarz, der Ich-Erzähler im ersten Teil, flieht rechtzeitig aus Deutschland und schwört sich, nur noch jenen Deutschen die Hand zu geben, die sich nicht mit dem Blut von Freunden und Verwandten befleckt haben. Es nimmt eine versöhnliche Wende, als der jüdische Emigrant durch Zufall erfährt, dass sein Jugendfreund, von dem er so enttäuscht war, als einer der Verschwörer gegen Hitler hingerichtet wurde.

Mich fasziniert und bewegt der differenzierte, nur begrenzt moralisierende Blick auf das Keimen der Katastrophe. Aus unzähligen Miniaturen setzt sich der grosse Strom der Geschichte des letzten Jahrhunderts zusammen. Das Buch ist eine Mahnung, achtsam zu sein gegenüber ähnlichen Entwicklungen, aber auch gegenüber pauschalen Verurteilungen.


Dieser Artikel erschien im Magazin vom 23. April 2011