Zweitwohnungsbesitzer sollen in Graubünden vermehrt eingebunden werden – auch als Investoren und Impulsgeber.

Zweitwohnungen gibt es in der Schweiz. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Debatte werden deren Besitzerinnen und Besitzer vor allem als Zersiedler der Landschaft und als Produzenten kalter Betten sowie bestenfalls als Immobilienkäufer und Steuerzahler wahrgenommen.

Für Daniel Müller-Jentsch, Projektleiter bei der Denkfabrik Avenir Suisse, greift das zu kurz. «Sie haben für die wirtschaftliche Entwicklung in den Berggebieten viel mehr zu bieten, nämlich innovative Ideen, Investitionen und Unternehmertum», schrieb Müller-Jentsch kürzlich in der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ). Die Erfinder der Rhätischen Bahn Müller-Jentsch plädiert dafür, die Besitzerinnen und Besitzer von Ferienwohnsitzen als Ressource für die wirtschaftliche Entwicklung zu betrachten. Tatsächlich engagieren sich immer wieder Auswärtige mit Ferien-Wohneigentum wirtschaftlich in Graubünden. Sogar die Rhätische Bahn geht auf die Initiative eines Niederländers zurück. Unter den sogenannten «New Highlander Entrepreneurs » (Ausgabe vom 6. Januar) gibt es zahlreiche ehemalige Stammgäste.

Grosse Firmen wie die Trumpf AG in Grüsch wurden von Personen gegründet, welche sich Graubünden zunächst in der Freizeit verbunden fühlten. In Medel und in Tujetsch wurden ehemalige Feriengäste zu Gemeindepräsidenten gewählt (siehe Artikel unten). Ein Bericht ist in Arbeit Auch das offizielle Graubünden denkt mehr oder minder laut über ein neues Verhältnis zu den Ferienwohnungsbesitzern nach. Das Wirtschaftsforum Graubünden arbeitet derzeit an einem Bericht über die Zukunftsperspektiven der Bündner Ferienorte, in dem auch die Eigentümerinnen und Eigentümer von Zweitwohnungen eine Rolle spielen werden. Laut dem Wirtschaftsforum soll das Papier bereits im Sommer vorliegen. Der neue Bündner Volkswirtschaftsdirektor Jon Domenic Parolini bezeichnet die Besitzerinnen und Besitzer von Zweitwohnungen als «wichtige Partner vor Ort».

Anders als Hotelgäste seien sie an den Standort gebunden und würden nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in andere Destinationen abwandern. Einen Beauftragten für die Pflege der Betroffenen will Parolini zwar nicht einsetzen. Er plädiert aber dafür, diese in den Gemeinden stärker einzubinden. Er selber habe als Gemeindepräsident von Scuol jährlich eine Orientierungsversammlung für die Zweitwohnungsbesitzer abgehalten. «Sie war besser besucht als jede Gemeindeversammlung. » Eine Mehrheit der Betroffenen fühlten sich «ihrem» Ort in Graubünden nämlich verbunden – durch mehr als einfach schöne Ferien. Ein Stimmrecht für die Betroffenen auf Gemeindeebene sei wohl kaum machbar, so Parolini. Stattdessen sollten die Gemeinden versuchen, die Stammgäste zum Umzug in den Kanton zu bewegen.

Dieser Beitrag erschient am 12. März 2015 in der «Südostschweiz» als 
Reaktion auf den Beitrag «Zweitwohnungsbesitzer als Akteure des Wandels» 
von Daniel Müller-Jentsch in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 5. März 2015.