Basel-Stadt und Baselland sind daran, ihre Hausaufgaben zu erledigen. Nach dem grossen Bevölkerungsrückgang der vergangenen Jahrzehnte hat Basel-Stadt die Abwanderung nun zumindest fürs Erste bremsen können. Fakt aber bleibt: In den letzten 40 Jahren haben 40000 Basler die Stadt verlassen. Daniel Müller-Jentsch (42) erkennt denn auch noch einiges Optimierungspotenzial. Das Interview mit dem Avenir-Suisse-Projektleiter wurde schriftlich geführt.

BaZ: Herr Müller-Jentsch, die Baselbieter Bevölkerung wächst und wächst. Ist der Wohnkanton so attraktiv?

Daniel Müller-Jentsch: Der Prozess der Suburbanisierung ist keine Basler Besonderheit. In der gesamten Schweiz gab es in den letzten Jahrzehnten ein starkes Agglomerationswachstum. Es gibt landesweit inzwischen über 50 Agglomerationen und um die Grossstädte Zürich, Genf-Lausanne, Basel und Bern herum sind die Agglomerationen zu Metropolitanräumen zusammengewachsen.

Nicht nur die Agglomeration, auch periphere Gemeinden wachsen – obwohl die Zersiedelung seit Langem kritisiert wird.

Bevölkerungswachstum, zunehmender Wohlstand, Mobilität und der Wunsch nach dem Haus im Grünen sind Ursachen der Zersiedelung, die man kaum beeinflussen kann und will. Es gibt aber auch falsche Anreize, welche die Zersiedelung begünstigen. Hier gibt es Handlungsbedarf. Dazu zählen ein massiv subventionierter ÖV, überdimensionierte Bauzonen in peripheren Lagen und eine unzureichende Koordination der Siedlungsentwicklung über Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinweg. Derartige Fehler gilt es zu korrigieren.

Baselland arbeitet daran. Der Kanton hat eine eigentliche Verdichtungsstrategie erarbeitet. Ein eigentlicher Hochhausboom steht bevor.

Gerade die Umlandgemeinden im Baselbiet sind inzwischen Teil des Stadtgebiets und sollten ähnlich wie die Kernstadt selber nachverdichtet werden. Dabei geht es jedoch gar nicht primär um Hochhäuser, sondern etwa um das Schliessen von Lücken und um hochwertige Arealüberbauungen. Die Umsetzung der Verdichtungsstrategie in Baselland wird allerdings nur gelingen, wenn der Kanton auch im Richtplan griffige raumplanerische Instrumente entwickelt und gegenüber den Gemeinden durchsetzt. Dem Kanton Zürich ist es mit einem solchen Vorgehen gelungen, einen erheblichen Teil des Siedlungsdrucks in den Bestand zu lenken.

Baselland lockt zwar Wohnbevölkerung an, aber nur wenige Unternehmen.

Zum Teil gab es schon einen Zuzug von Firmen, wie etwa Actelion in Allschwil. Grosse Industrieunternehmen aus Chemie und Pharma mit ihren komplexen Produktionsanlagen zügeln jedoch nicht so einfach. Zudem wurden gut erschlossene Gewerbeflächen im Baselbiet vielfach von Logistikern und Einkaufszentren belegt. Einige davon hätte der Kanton vielleicht besser als strategische Flächen für Neuansiedlungen vorhalten sollen.

Ein Blick nach Basel-Stadt: Im Gegensatz zum Landkanton ist die Basler Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten massiv zurückgegangen. Ist Basel als Wohnkanton schlicht wenig attraktiv?

Die Besonderheit an Basel-Stadt ist, dass es ein reiner Stadtkanton ist, der zu über 70 Prozent aus Siedlungsfläche besteht und direkt an der Landesgrenze liegt. Für Agglomerationswachstum auf dem Kantonsgebiet gibt es somit gar keinen Platz. Eine Besonderheit in Basel ist auch, dass die Kernstadt von ihrem Umland durch eine Kantonsgrenze getrennt wird. Dies macht die Koordination der Raumplanung zwischen den beiden Basel – aber auch mit Gemeinden in Frankreich und Deutschland – schwierig, aber auch besonders notwendig.

Andere Grossstädte wie Zürich sind laufend gewachsen.

Die Metropolitanregionen Zürich und Genf sind in den letzten zehn Jahren mit über zehn Prozent deutlich schneller gewachsen als die Metropolitanregionen Basel und Bern mit unter fünf Prozent. Dies liegt daran, dass die Zuwanderung sich besonders auf die beiden grössten Städte des Landes konzentriert.

In den letzten Jahren hat Basel zumindest die Abwanderung stoppen können.

Nicht nur in Basel gibt es eine «Renaissance der Städte». Viele Leute wollen wieder in einem urbanen Umfeld wohnen. Zudem erlebt die Schweiz ein starkes Bevölkerungswachstum, und viele Zuwanderer gehen bevorzugt in die grossen Zentren. Aber Basel hat auch in Sachen Stadtplanung seine Hausaufgaben gemacht und dadurch an Attraktivität gewonnen.

Welche weiteren Schritte sind nötig?

Die Schaffung zusätzlichen, attraktiven Wohnraums ist eine zentrale Herausforderung. Basel-Stadt hat mit einer Strategie mit dem Titel «urbane Qualitätsmaximierung» ein Massnahmenbündel beschlossen, um diese zu erreichen. Dazu gehören eine Zonenplanrevision, Arealentwicklungen, die Umnutzung ehemals staatlicher Liegenschaften und Industriegebiete sowie einige Baulandeinzonungen.

Basel-Stadt will Wohnraum für zusätzliche 24000 Einwohner schaffen. Ein realistisches Szenario?

Ich denke, die Nachfrage nach diesem neuen Wohnraum ist grundsätzlich vorhanden. Auch eine glaubwürdige Strategie, wie man das entsprechende Angebot schaffen will, liegt vor. Das gilt es nun umzusetzen. Projekte wie das Dreispitzareal oder der Novartis Campus zeugen vom politischen Willen, die Stadt zu erneuern und auf hochwertige Art und Weise zu verdichten.

Dieses Interview erschien am 27. Januar in der «Basler Zeitung».
Mit freundlicher Genehmigung der «Basler Zeitung».