In Genf eine Wohnung zu finden, gilt unter den üblichen Budgetrestriktionen praktisch als Ding der Unmöglichkeit. Die Ursachen sind in der Überregulierung zu finden, stellt Avenir Suisse in einem Positionspapier fest.
Malaise am Genfer Wohnungsmarkt
Der Kanton Genf liegt bei den Erhebungen leer stehender Wohnungen regelmässig an erster Stelle – oder je nach Sichtweise an letzter. So auch in diesem Jahr mit einer Quote von 0,33%. Jeder einigermassen «frei» funktionierende Wohnungsmarkt würde darauf über kurz oder lang mit einer Ausweitung des Angebotes reagieren. Nicht so jener in der Rhône-Stadt. Dieser gilt gemeinhin aus einem in die Irre gelaufenen Mieterschutz als überreguliert und investorenfeindlich. Es zieht das Kapital derzeit viel mehr in den gewerblichen Mietflächenmarkt, der von einem Nachfragewachstum profitiert. Mit diesem wirtschaftlichen Wachstumwird das Malaise am Wohnungsmarkt aber nur umso grösser. Denn irgendwo müssen die zuziehenden Arbeitskräfte wohnen. Die wirtschaftliche Standortgunst könnte sich durch die unbefriedigende Situation am Wohnungsmarkt wenden.
Diskussionspapier Avenir Suisse
Die Denkfabrik der Schweizer Wirtschaft hat ein Papier vorgelegt, das den Ursachen der Wohnungsknappheit am Genfer Immobilienmarkt auf den Grund geht, und kommt zumSchluss, dass die Probleme hausgemacht sind.
Das Diskussionspapier «Une pénurie fait maison. Le malaise immobilier genevois: ses causes, ses remèdes» von Autor Marco Salvi zeigt, dass es zur Lösung der Wohnugskrise plausible Ansätze gibt. Denn mehr als andernorts sind die Probleme hausgemacht: Der Grundstücksmarkt ist der am stärksten regulierte der Schweiz. Im Bemühen um einen «gerechten Preis» für Grundstücke und Mieten, das aus der Sicht von Avenir Suisse zum Scheitern verurteilt ist, behindert das Genfer System Bauprojekte und setzt Marktmechanismen ausser Kraft.
Die so geschaffene Wohnungsnot beeinträchtigt die Lebensqualität der Bevölkerung und könnte nach Avenir Suisse auf lange Sicht die Entwicklung der gesamten Métropole Lémanique gefährden.
Autor Salvi nennt in der Manier des liberal orientierten Think Tank verschiedene Lösungsansätze, wie der Wohnungsmarkt zu deblockieren wäre:
1. Liberalisierung der Preise: Mieten und Bodenpreise müssten die tatsächliche Knappheit an Wohnraum widerspiegeln. Nur so würden die richtigen Anreize für die Verdichtung der Agglomeration und die Erweiterung des Wohnangebotes gesetzt. Zudem würden Marktmieten den übermässigen Konsum an Wohnraum und Boden einschränken. Selbst-verständlich dürften dabei die am stärksten Benachteiligten nicht vergessen gehen. Mit einer angemessenen Besteuerung
des Bodens (Mehrwertabgabe) stünden Mittel zur Verfügung, um eine gezieltere Unterstützung der einkommens-schwachen Haushalte gewährleisten zu können.
2. Abschaffung von Bau- und Rennovationshindernissen: Von der Aufhebung des Gesetzes über den Abbruch, den Umbau und die Renovation von Wohnhäusern (LDTR) verspricht sich die Studie ebenfalls eine Verbesserung der Vorsorgesituation. Weitere Massnahmen umfassen die gezielte Bebauung von bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen sowie das Bauen in die Höhe.
3. Anpassung der Spielregeln: Die Studie plädiert für eine Einschränkung der Objekthilfe unter Beibehaltung der Subjekthilfe. Eine gezielte Belohnung der Gemeinden, die Wohnraum schaffen, sei ebenfalls zu erwägen. Um die Partikularinteressen einzugrenzen, müssen jedoch die massgeblichen Herausforderungen womöglich auf kantonaler Ebene gelöst werden, beispielsweise im Rahmen des kantonalen Richtplans.
4. Entspannung der städtischen Bausituation: Die Realisierung wichtiger innerstädtischer Bauprojekte müssten forciert werden, beispielsweise in den Stadtvierteln Praille-Acacias-Vernets (PAV), Pointe de la Jonction und Sécheron-Gare Cornavin. Die Vorschläge von Avenir Suisse zielen darauf ab, Ventile für einen Wohnungsmarkt zu schaffen, der heute unter grossem Druck steht. Wenn entgegengesetzte Interessen aufeinanderprallen und eine rigide Wohnungspolitik lediglich auf den Schutz der Insider ausgerichtet ist, sind Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Genf – und später weitere städtische Gebiete der Schweiz – laufen Gefahr, den Motor des Wachstums abzuwürgen, so der Autor der Studie.
Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift «Immobilia» des SVIT vom 17. Oktober 2012.