Gerhard Schwarz, Direktor von Avenir Suisse, hält das unternehmerische Engagement der öffentlichen Hand im Energiesektor für wenig sinnvoll. In der «Carte blanche» des Energiedialog-Newsletter vom Februar 2012 führt er aus, dass der Besitz von Energieunternehmen für die Kantone ein Klumpenrisiko darstelle.

Ein direktes unternehmerisches Engagement der öffentlichen Hand im Energiesektor ist ordnungspolitisch wie ökonomisch wenig sinnvoll. Als Eigner eines Kraftwerks müsste die öffentliche Hand Risiken tragen, wofür sie aber nicht geschaffen ist.

Die Kantone halten zunehmend Beteiligungen an Unternehmen, deren Zweck in erster Linie finanzieller Natur ist. Avenir Suisse hat dies in der Studie «Kantone als Konzerne» gezeigt: 2008 wiesen die Kantone rund 1000 Unternehmensbeteiligungen auf. Von diesen entfallen 190 auf den öffentlichen Verkehr, 146 auf die Finanzbranche, 102 auf den Energiesektor, 56 auf den Bereich Bildung (exkl. Fachhochschulen) und 42 auf das Gesundheitswesen (Spitäler). Daneben gibt es 447 «übrige»Beteiligungen, vor allem in der Landwirtschaft. Eliminiert man Doppelzählungen, die entstehen, weil oft mehrere Kantone am gleichen Unternehmen beteiligt sind, geht es um rund 600 Unternehmen. Die meisten dieser Beteiligungen haben nur begrenzt mit veritablen Staatsaufgaben zu tun.

Nicht zuletzt die Engagements im Energiesektor stehen ordnungspolitisch quer in der Landschaft. Die Kantone sind hier bei den grossen Energieversorgern und direkt bei Kraftwerken finanziell noch stärker involviert, als es die Zahl der Beteiligungen allein zum Ausdruck bringt. Das Engagement wird meist mit der wirtschaftlichen Attraktivität des Sektors und der «Versorgungssicherheit» begründet.

Doch die Realität sieht anders aus. In den letzten Jahren sind die Kurse der Stromproduzenten stark gesunken. Stromhandel und Stromproduktion sind in den europäischen Markt integriert, die Preise bilden sich in einem internationalen Kontext – auch für die Schweiz. Und so drücken Kraftwerksüberkapazitäten, die hohe Verfügbarkeit von Gas und eingetrübte Konjunkturaussichten seit Monaten auf die Marktpreise. Erschwerend kommt dazu, dass Strom im europäischen Markt in Euro gehandelt wird, die schweizerischen Kosten aber in Franken anfallen.

Auch mit der eigenständigen Energiepolitik ist es nicht weit her, denn da die Energiemärkte auf nationaler und internationaler Ebene reguliert werden, können Kantone höchstens die Unternehmensstrategie direkt beeinflussen. Doch Strategien und Strukturen, die sich nicht an betrieblichen Bedürfnissen orientieren, behindern die Effizienz und das Funktionieren des Marktes. Als Folge von all dem tragen die Kantone als Mehrheitseigner der Verbundunternehmen die wirtschaftlichen Risiken von Kraftwerksinvestitionen, neuen Geschäftsmodellen im Energiehandel und internationalen Expansionen. Das sind Klumpenrisiken für Kantonsfinanzen und Steuerzahler. Vor diesem Hintergrund bildet der «Heimfall» eine besondere Herausforderung. In den nächsten 30 Jahren laufen nämlich die Konzessionen vieler Wasserkraftwerke aus. Damit fallen die Anlagen an die Konzessionsgeber (Gemeinden/Kantone) «heim» (benetzte Anlagen wie Staumauern, Druckrohre und Turbinen kostenlos, trockene Anlagen wie Elektroeinrichtungen können zum Restwert übernommen werden). Bergkantone und -gemeinden könnten nun versucht sein, die Anlagen selber zu betreiben und Unternehmer zu werden oder die Anlagen in neu zu gründende öffentliche Gesellschaften einzubringen, an denen sie beteiligt sind. Insofern droht der Branche eine neue Verstaatlichungswelle.

Die Bergkantone und -gemeinden sollten aber der Versuchung nicht nachgeben, sondern sich eher von den bisherigen Eigentümern für den Heimfall entschädigen lassen. Noch besser wäre, sie übten den Heimfall aus, um dann die Konzession mittels Auktion an den Meistbietenden zu vergeben. So könnten sie sich an den potenziellen (aber unsicheren) Einnahmen aus der Wasserkraft mit einer festen Konzessionsgebühr beteiligen, ohne das unternehmerische Risiko tragen zu müssen. Ausserdem würde die Auktion Möglichkeiten für den Markteintritt dritter, privater (und evtl. ausländischer) Unternehmen schaffen. Ein direktes unternehmerisches Engagement der öffentlichen Hand im Energiesektor ist dagegen ordnungspolitisch wie ökonomisch wenig sinnvoll. Als Eigner eines Kraftwerks oder einer Kraftwerksgesellschaft müsste die öffentliche Hand erhebliche Risiken tragen. Dafür ist sie nicht geschaffen und das ist nicht ihre Aufgabe.

Dieser Artikel erschien am 16.Februar 2012 im «Axpo Energiedialog».