Wie sollen die Lasten der Sanierung der kantonalen Pensionskassen verteiltwerden? Der Spezialist von Avenir Suisse, der Bieler Jérôme Cosandey, findet, es wäre angebracht, die Angestellten etwas stärker zur Kasse zu bitten.

Grosse Lücken imWesten, kleine bis keine Lücken im Osten: Die Karte mit den Deckungsgraden der kantonalen Pensionskassen zeigt einerseits, dass es auch in der Vorsorge einen Röstigraben gibt, und andererseits, dass der Kanton Bern mit seinen Problemen nicht alleine dasteht. In Bern sei die Ausgangslage ähnlich schwierig wie in Zürich, aber nicht so schwierig wie in der Romandie: Dies konstatiert Jérôme Cosandey,Vorsorgespezialist von AvenirSuisse, der Denkfabrik der Schweizer Wirtschaft. Er hat die Pläne der Berner Regierung zur Sanierung der beiden kantonalen Pensionskassen BPK (Staatspersonal) und BLVK (Lehrpersonen) studiert. Sein Fazit: Die Pläne seien grundsätzlich vernünftig, in der Tendenz aber etwas zu personalfreundlich. Diese Punkte fielen ihm auf:

Ausfinanzierung

Cosandey verweist auf den Kanton Zürich, der die Lücke der Pensionskasse nur teilweise mit Steuergeld auffüllt und zusätzlich Sanierungsbeiträge von Kanton und Angestellten plant. In Bern soll der Kanton (Steuerzahler) alleine für die Unterdeckung nach heutiger Berechnung aufkommen. Cosandey geht aber davon aus, dass die heutige Unterdeckung von total 2,8 Milliarden Franken (Ende 2011) vor allem zustande kam, weil BPK und BLVK nach wie vor im Leistungsprimat sind, in dem die Leistungen fix garantiert sind. Deshalb konnten sie weniger gut und rasch auf die sinkenden Marktrenditen reagieren. «Es ist davon auszugehen, dass die Angestellten in den letzten Jahren vom Leistungsprimat profitiert haben», sagt Cosandey, «deshalb wäre es legitim, sie stärker an den Kosten der Sanierung zu beteiligen.»

Technischer Zins

Auch die Regierung will dem Personal einen Teil der Lasten aufbürden. BPK und BLVK sollen ihre Leistungen kürzen, um die Reduktion des technischen Zinses zu kompensieren, die sie beschlossen haben. Diesen senken sie, weil sie künftig mit tieferen Renditen rechnen. Bei der BPK würde es laut der Regierung genügen, das ordentliche Rentenalter von 63 auf 65 zu erhöhen (bei gleicher Rente); bei der BLVK wäre eine Reduktion des künftigen Rentenniveaus notwendig, da ihr Rentenalter schon bei 65 liegt. «Hier muss die Regierung noch konkreter werden», findet Cosandey.

Überbrückungsrente

Wer sich bei der BPK mit 63 oder 64 pensionieren lässt, erhält bis 65 eine Überbrückungsrente, zur Kompensation der AHV-Rente. Cosandey erachtet es als fragwürdig, dass diese beibehalten werden solle. «Solche Privilegien werden häufig als Erstes abgebaut, wo Pensionskassen saniert werden müssen.»

Und die Rentner?

Cosandey zeigt sich überrascht, dass in den Unterlagen der Regierung nichts über die heutigen Rentner zu lesen ist. Auch wenn ihre Renten nicht gekürzt werden können, bestünden Möglichkeiten, sie an der Sanierung zu beteiligen. Es gebe Kantone, die verbindlich festhielten, dass die Renten in den folgenden Jahren nicht an die Teuerung angepasst werden. «Das mag angesichts der gegenwärtigen Minusteuerung harmlos erscheinen», sagt Cosandey, «die Zeiten können sich aber rasch ändern.» Zudem schenke der Kanton damit den Rentnern reinen Wein ein und signalisiere den erwerbstätigen Versicherten, dass auch die pensionierten Kollegen einen Beitrag leisten.

Übergang ins Beitragsprimat

Die Regierung will 500 Millionen Steuerfranken einsetzen, um für die Versicherten den geplanten Wechsel ins Beitragsprimat abzufedern. Eine derart runde Zahl ohne Detailerläuterungen sei verdächtig, so Cosandey: Er vermutet hier eine Spielmasse für die politische Ausmarchung.

Für Primatwechsel und Vollkapitalisierung

Cosandey plädiert für eine konsequente Umsetzung der Idee, auf der die berufliche Vorsorge aufgebaut sei: «Jeder soll für sich sparen und seine Rente selber finanzieren.» Deshalb spricht er sich entschieden für das Beitragsprimat aus, in dem jeder für sich Geld fürs Alter anspart, individuell und ohne Quersubventionierungen. Zudem rät Cosandey, auch öffentlich- rechtliche Kassen in der Vollkapitalisierung zu führen. Ihr Deckungsgrad müsste dann ebenfalls bei 100 Prozent liegen; nur so sei sichergestellt, dass jede Generation ihre Renten selber finanziert und nicht den Nachfahren auf der Tasche liegt. Diese Gefahr drohe in der Teilkapitalisierung, in der bis 20 Prozent der Renten imUmlageverfahren (à la AHV) finanziert werden. Dabei schieben die Kassen wachsende Schuldenberge vor sich her, warnt Cosandey. Zudem drohten dem Kanton Millionenzahlungen, falls das Inselspital oder mehrere Heime die BPK dereinst verlassen. Beim Bund sei das etwa bei der Auslagerung der SBB der Fall gewesen.

Dieser Artikel erschien in der «Berner Zeitung» vom 7. November 2012.