Das Krisenmanagement der Eurozone ist heftig in Kritik geraten. Der Spardruck verschärfe die Rezession, zudem würden wichtige Entscheidungen laufend verschleppt. Wie beurteilen Sie das?
Ich glaube, die Krise wird uns noch lange begleiten. Die wahrscheinlichste, aber nicht die beste Strategie lautet Durchwursteln. Dass eine Sanierung verschuldeter Unternehmen und Staaten nicht schmerzfrei vonstattengehen kann, ist klar. Ich glaube, dass die Schmerzen auch bei den Sanierern ankommen werden. Die Programme müssen ja auch von den Bürgern in den wohlhabenderen Staaten mitgetragen werden.
Also müssen die Sparprogramme beinhart um gesetzt werden?
Die Frage, ob das Gürtel-enger-Schnallen die Krise verschärft, ist verständlich. Aber in den stark betroffenen Staaten wie Griechenland, Portugal und Spanien führt kein Weg daran vorbei, die staatlichen Ausgaben zurückzufahren. Man muss dann versuchen, den Schwächsten der Gesellschaft zu helfen, damit sie über die Runden kommen. Alles andere ist nicht nachhaltig. Sie können nicht die Krankheit mit anderen Krankheiten heilen.
Die Frage ist auch, wie lange man Arbeitslosenraten von 25 Prozent und doppelt so hohe Quoten bei Jugendlichen akzeptieren kann.
Man muss fairerweise dazusagen, dass Spanien seit vielen Jahren eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit hat, die schon vor der Eurokrise unhaltbar war. Man hat sich vorher auch nicht groß die Frage gestellt, wie sozialverträglich das ist. Arbeitslosigkeit ist auch eine Folge des Preises. Diese Länder müssen mit vielen Working Poor leben. Das ist aber besser, als einen Lohn zu verlangen, der das Existenzminimum sichert, den die Arbeitgeber aber nicht zahlen können. Dann sind diese Leute nämlich ganz arbeitslos. Arbeit hat nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine integrative und soziale Funktion. Ohne Rückgänge bei den Einkommen wird es nicht gehen.
Wird das Ganze den Zusammenhalt der Währungsunion sicherstellen können?
Der Wille, dass es nicht zum Explodieren kommt, ist enorm groß. Viel besser wäre es, man hätte im Fall von Griechenland schnell einen Konkurs durchgezogen. Das wäre auch bei einem Verbleib des Landes in der Eurozone gegangen.
Das Gegenargument ist die Ansteckungsgefahr anderer Krisenstaaten.
Mit dem Geld, das man jetzt hineinsteckt, hätte man mehrere Brandmauern für Portugal, Spanien und vielleicht auch Italien errichten können. Der Fehler war, dass der Euro als politisches Projekt von oben aufgestülpt wurde und nicht natürlich zusammengewachsen ist. Bereits bei der Einführung der Währungsunion hat Italien die Kriterien nicht erfüllt. Dann konnte man das kleine Griechenland nicht einfach abstrafen und nicht hineinnehmen. Dass der Euro letztlich überleben wird, davon bin ich nicht überzeugt. Vorstellbar ist, dass es irgendwann doch einen Nord- und einen Südeuro geben wird. Das Pro – blem ist Frankreich. Das Land steht viel schlechter da als allgemein wahrgenommen. Eine Trennung von Frankreich und Deutschland wäre das totale Scheitern der großen europäischen Idee.
Apropos: Es erscheint eine Studie nach der anderen, die die Kosten eines Eurozerfalls berechnen. Was ist davon zu halten?
Im ersten Semester Ökonomie lernt man in Opportunitätskosten, also in Alternativen zu rechnen. Hier werden die enormen Kosten eines Zerfalls berechnet, nicht aber, was das Durchwursteln mit einem möglichen Zerbrechen zu einem späteren Zeitpunkt kostet.
Dieses Interview erschien in «derStandard.at» vom 26. November 2012.