Multinationale Unternehmen haben viel zum Wohlstand der Schweiz beigetragen. Sie sind die Hauptträger der Globalisierung, aus der die Schweiz grossen Nutzen gezogen hat. Das mag eine Banalität sein, aber es ist eine Banalität, die angesichts der heftigen Diskussionen über die Entschädigungsgepflogenheiten auf den Chefetagen der Multis leicht vergessen geht. Die Schweiz würde ihre Spitzenstellung in Sachen Innovation rasch einbüssen, könnte sie sich nicht mehr auf ihre innovationsstarken Multis in der Industrie, besonders im Pharmasektor, verlassen. Auch sind die hohen Pro-Kopf-Einkommen ohne die Produktivität der Finanzindustrie kaum vorstellbar, und ohne die berühmten Marken der Multis im Konsum-, Dienstleistungs- und Investitionsgüterbereich gälte das Label «Made in Switzerland» kaum weltweit als Garant für Qualität und höchste technische Ansprüche, für die Kunden bereit sind, entsprechende Preise zu bezahlen. Die kleinen und mittleren Unternehmen profitieren von alldem und können dank ihrer Flexibilität die Chancen der Globalisierung besonders gut nutzen.
Das Wirtschaftswachstum der Schweiz wurde schon seit der Gründungszeit von Unternehmen wie Nestle (1866), Brown, Boveri Cie (1891) oder den Vorgängern der heutigen Basler Pharmaindustrie wesentlich von den Multis mitgetragen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass auch weniger wohlhabende Schichten von diesem Wachstum profitieren. Allen Unkenrufen zum Trotz hat die Globalisierung in der Schweiz nicht dazu geführt, dass sich die Lohnschere geöffnet hat. Im internationalen Vergleich gehört die Schweiz zu den Ländern mit den kleinsten Wohlstandsunterschieden, wie wir unlängst in unserem «avenir spezial» zum Thema Verteilung gezeigt haben. Dennoch verbinden sich mit multinationalen Unternehmen viele Emotionen, Vorurteile und falsche Erwartungen. Für viele sind Begriffe wie «Globalisierung» oder «Multis» noch immer Reizworte. Mit der Übernahme von Entlöhnungsmodellen aus dem angelsächsischen Raum ist das Unverständnis, ja der Graben zwischen weiten Teilen der Politik und der Bevölkerung und der international orientierten Wirtschaft ohne Zweifel tiefer geworden. Die Schweiz scheint diesbezüglich angesichts der hohen Dichte an international tätigen Unternehmen exponierter und anfälliger als andere Länder.
Es gibt Warnsignale, dass die Schweiz an Standortattraktivität für internationale Firmen einbüssen könnte: Politiker von links bis rechts stellen die Multis an den Pranger, um sich damit zu profilieren; Vorstösse wie die «1:12»- oder die Mindestlohn-Initiative würden die Flexibilität des Arbeitsmarktes empfindlich einschränken, und im Steuerstreit mit der EU und der G20 dürfte sie um Zugeständnisse bei der Besteuerung von Konzerngesellschaften nicht herumkommen. Die Schweiz wird gut daran tun, sich diesbezüglich nicht weiter zu verschlechtern und auch anderen Standortvorteilen des Landes Sorge zu tragen: Günstige Steuern, Stabilität, hohe Lebensqualität, Offenheit, gut gebildete Arbeitskräfte und ein flexibler Arbeitsmarkt zählen dazu. Eine Schweiz, die für ihre Bevölkerung den Wohlstand sichern und ausbauen möchte, wird alles daransetzen müssen, dass sie für international tätige Firmen grosse wie kleine und ob man sie liebt oder nicht – attraktiv bleibt.
Dieser Artikel erschien in «Go! Das Aussenwirtschaftsmagazin» vom September 2013.