Avenir Suisse, die Denkfabrik der Schweizer Wirtschaft, veröffentlichte jüngst eine Publikation zur Qualität des Wirtschaftsstandorts Schweiz. In Folge die wichtigsten Erkenntnisse:
Wie ein Magnet zieht die Schweiz Firmensitze, Privatvermögen und Arbeitskräfte an. Bezahlt die Schweiz einen zu hohen Preis für ihre Attraktivität? Der Zuzug von qualifizierten Arbeitskräften ist nur eine – wenn auch wichtige – Facette der Standortattraktivität. Das Land zieht auch andere mobile Wirtschaftsaktivitäten und Produktionsfaktoren an – Firmenzentralen, Produktionsstätten, Finanzanlagen und vermögende Privatpersonen. Jeder zehnte Milliardär der Welt lebt hier, und die Schweiz hat weltweit eine der höchsten Dichten an Millionärshaushalten (22 Prozent). Ein Viertel (27 Prozent) aller grenzüberschreitend verwalteten Finanzanlagen werden in der Schweiz verwaltet.
Denker-und-Lenker-Ökonomie
Die Schweiz weist schon lange eine einzigartige Dichte international agierender Unternehmen auf. Multinationale Unternehmen mit einem besonders hohen Grad an internationalen Verflechtungen erarbeiten ein Drittel der Schweizer Wirtschaftsleistung (BIP). Und ihre Bedeutung nimmt zu: 2003 bis 2009 zogen 269 ausländische Firmen mit ihrem Hauptquartier in die Schweiz. Dadurch entwickelt sich die Schweizer Wirtschaft zusehends zu einer «Denker-und-Lenker-Ökonomie », von der aus internationale Firmennetzwerke gesteuert werden. Das bringt viele Arbeitsplätze und Aktivitäten mit hoher Wertschöpfung.
Von 2002 bis 2007 schuf die Schweizer Wirtschaft 350000 zusätzliche Arbeitsplätze. Die neuen Jobs wurden zu 60 Prozent mit Zuwanderern besetzt, und inzwischen wird jede vierte Arbeitsstunde von Ausländern geleistet. Die Personenfreizügigkeit war eine wichtige Voraussetzung für den Boom der letzten Jahre. Während das Wachstum der Schweiz vor 2004 (Abschaffung des Inländervorrangs) unter dem Durchschnitt der Euro-Zone lag, liegt es seither darüber. Die Zuwanderung verschaffte der Schweiz einen Wachstumsbonus. Dies hängt auch mit dem veränderten Migrationsmix zusammen. Da die Zuwanderung im Rahmen der Personenfreizügigkeit durch den Arbeitsmarkt gesteuert wird, kamen in den letzten Jahren viele qualifizierte Arbeitskräfte in die Schweiz.
Zu den wirtschaftlichen Vorteilen des «Ressourcen-Magnetismus» zählen höheres Wachstum und die gute Lage der öffentlichen Haushalte und Sozialkassen. Zusehends werden jedoch auch negative Begleiterscheinungen sichtbar, wie etwa Verkehrsengpässe, Zersiedelung, steigende Immobilienpreise und Überfremdungsängste, die mit dem starken Zuzug verbunden sind. Auch andere «Premi-umstandorte» wie Singapur, London oder der Grossraum München leben mit diesem Spannungsverhältnis zwischen Vor- und Nachteilen ihres Magnetismus. Durch die Bevölkerungszunahme ergeben sich gerade für ein kleines, dichtbesiedeltes Land wie die Schweiz gewisse «Verknappungseffekte ». Aufgrund der kontinuierlich hohen Zuwanderung hat die Einwohnerzahl in den letzten 30 Jahren um 1,5 Millionen zugenommen. Entsprechend stark ist die Bauaktivität: Während sich die Siedlungsfläche vor der Jahrtausendwende noch um 13 Quadratkilomter im Jahr ausdehnte, wuchs sie seither (2002 bis 2008) um 27 Quadratkilometer pro Jahr.
Negative Effekte in «Hot Spots»
Die Sorgen vor einer Überbevölkerung sind zwar insofern zu relativieren, als die Bevölkerung der Schweiz so gross ist wie die von London, dessen Fläche nur jener des Kantons Zürich entspricht. Gleichwohl bringt die Bevölkerungszunahme eine Zersiedelung der Landschaft und Engpässe bei der Infrastruktur mit sich und verschärft jene Entwicklungen, die sich auch ohne Zuwanderung abgezeichnet haben, aufgrund einer unkoordinierten Einzonungspolitik und einer durch massive Subventionen (über 50 Prozent der Kosten der Eisenbahn) geförderten Übernutzung der Verkehrsinfrastruktur. Einige der negativen Effekte konzentrieren sich besonders stark auf einige «Hot-Spots». So sind die Immobilienpreise vor allem in Genf, Zürich und einigen Niedrigsteuergebieten gestiegen, während die Entwicklung im Rest des Landes deutlich gemässigter verlief.
Dieser Artikel erschien im «St.Galler Tagblatt» am 6. Juni