Ein Gespräch mit dem Avenir-Suisse-Direktor am Rande des Thurgauer Wirtschaftsforums.

Stefan Borkert: Herr Schwarz, hat man nach vier Jahren Think-Tank ab und zu das Bedürfnis, wieder journalistisch tätig zu werden?

Gerhard Schwarz: Zur Aufgabe eines Think-Tank-Direktors gehört es, sich regelmässig auch über Zeitungen an die Öffentlichkeit zu wenden. Die Auseinandersetzung mit einer grossen Fülle von Themen und mit deren sprachlicher Umsetzung gehört also heute kaum weniger zu meinem Tätigkeitsportfolio. Und während ich früher nur in einer Zeitung präsent war, werde ich heute von grösseren und kleineren Medien im ganzen Land um Beiträge gebeten. Aber natürlich, gelegentlich hätte ich schon Lust gehabt, als Tageszeitungsjournalist spontan etwas zu kommentieren. Und das wollen wir als Think Tank, der die lange Frist im Auge hat, ganz explizit möglichst nicht tun.

Für Sie ist Avenir Suisse also kein so genannter Elfenbeinturm?

Wenn wir das wären, hätten wir unsere Funktion verfehlt. Ein Think Tank soll ja sehr viel verständlicher und praxisnäher agieren als etwa die meisten Hochschulinstitute. Vielleicht rührt Ihre Frage daher, dass wir Themen frühzeitig besetzen, in einem Moment, in dem die Vorschläge vielen noch utopisch erscheinen. Für die Tagespolitik gibt es Parteien und Verbände – unser Horizont muss weiter sein.

Sie entwickeln Ideen, was die Schweiz besser machen könnte. Nennen Sie drei aktuelle Kardinalsünden, bei denen sich Ihnen die Nackenhaare sträuben.

Wir leben in der Sozialpolitik massiv über unseren Verhältnissen. Wir haben uns kopflos in das Abenteuer Energiewende gestürzt und mit den flankierenden Massnahmen einen unserer grössten Trümpfe, den flexiblen Arbeitsmarkt, zwar nicht völlig zunichte gemacht, aber leider über Gebühr strapaziert. Nun droht dieser Arbeitsmarkt nach dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative noch mehr bürokratisiert zu werden.

Und wie schalten Sie ab?

Beim Wandern und auf kleinen Skitouren, bei einem guten Konzert von Schubert, Brahms oder Bach, beim Kochen für die und mit der Familie, beim unangestrengten Gespräch oder beim Jassen mit guten Freunden.

Dieses Interview erschien im «St. Galler Tagblatt» vom 29. August 2014.

Mit freundlicher Genehmigung des St. Galler Tagblatts.