Die Schweiz ist eine Hochpreisinsel. Diese Tatsache ist bekannt. Letztmals flammte die Diskussion darüber im Sommer 2011 auf, als infolge der starken Aufwertung des Schweizer Frankens die Preisdifferenzen zum umliegenden Ausland sprunghaft zunahmen. Die Schuldigen waren schnell gefunden: Ausländische Grossunternehmen heimsen Währungsgewinne ein, und zwar zusätzlich zum sowieso bestehenden «Sonderzuschlag Schweiz». Die reflexartigen Forderungen nach staatlichen Eingriffen liessen nicht lange auf sich warten. Anfang Jahr debattierte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates über den Vorschlag, das Kartellgesetz mit einem Artikel zu unzulässigen Preisdifferenzierungen zu ergänzen. Ausländische Unternehmen sollen gebüsst werden können, wenn sie sich weigern, Schweizer zu den im Ausland geltenden Konditionen zu beliefern. Erfreulicherweise hat die Kommission diesen Vorschlag abgelehnt.

Regionale Preisdifferenzierung hat nämlich durchaus ihre Logik und funktioniert vor allem dann, wenn sich Nachfragegruppen aufgrund ihrer unterschiedlichen Zahlungsbereitschaft räumlich segmentieren lassen. Dass sich die einkommensstarken Schweizer hierfür besonders anbieten, liegt auf der Hand. Preisdifferenzierungen sind aber nur dann ein wettbewerbsrechtliches Problem, wenn ein Markt aktiv abgeschottet wird. In diesem Fall können die Wettbewerbshüter bereits heute eingreifen. In allen anderen Fällen ist die Wirtschaftspolitik gefordert: Eine konsequente Marktöffnung wäre ein sehr viel patenteres Rezept gegen den «Sonderzuschlag Schweiz» als ein neuer – im besten Fall wirkungsloser, im schlechtesten Fall schädlicher – Artikel im Kartellgesetz.

Wirkungslos dürfte ein Verbot der Preisdifferenzierung aus zwei Gründen bleiben: Zum einen können die Wettbewerbsbehörden das Kartellgesetz im Ausland faktisch nicht anwenden, zum anderen ist es naiv davon auszugehen, dass es im Ausland so etwas wie einheitlich geltende Konditionen gibt. Preise zwischen Lieferanten und Abnehmern hängen von vielen Faktoren ab, etwa von der abgenommenen Menge, langfristigen Lieferverträgen oder Exklusivvereinbarungen. Einen Nachweis über «unangemessene» Lieferkonditionen zu erbringen, der vor Gericht standhält, ist ein schier aussichtsloses Unterfangen umso mehr, als Unternehmen mit Sitz im Ausland zu keinerlei Kooperation mit den schweizerischen Wettbewerbsbehörden verpflichtet sind. Genau hier liegt auch das Schadenspotenzial dieses Gesetzesartikels. Für Unternehmen, die befürchten müssten, ins Visier der Wettbewerbsbehörden zu geraten, würde ein Anreiz geschaffen, sich vom Standort Schweiz zurückzuziehen. Damit hätte die Schweiz doppelt verloren: Die störenden Preisdifferenzierungen könnten weiterhin vom schützenden Ausland aus aufrechterhalten werden, und im Inland gingen Arbeitsplätze und Steuersubstrat verloren.

Dieser Artikel erschien am 12. April 2013 in der Zeitschrift «Cigar».