Die liberale Welt tut sich schwer mit der populistischen Rhetorik à la Trump. Der amerikanische Comedian und Moderator der «The Daily Show» Trevor Noah vergleicht den Präsidenten in diesem Zusammenhang in seiner Sendung humoristisch mit einem «Toddler» (Deutsch: «Kleinkind»). Seine Argumentation: Es lasse sich mit einem Kleinkind nur schwer mit gewohnten Kommunikationstechniken argumentieren, weil man sich nur in die hoffnungslos irrationale Welt des Toddlers verstrickt. Doch warum bereitet eine populistische Rhetorik der liberalen Öffentlichkeit so eine Mühe? – eine kurze Analyse.

Sowohl der Wahlerfolg von Marine Le Pen als auch der Wahlsieg von Donald Trump versetzten die liberale Öffentlichkeit in einen Schockzustand. Man konnte und wollte es sich nicht vorstellen, dass ein Politiktreiben so fern von Fakten und so nahe an protektionistischem Nationalinteresse sowie der emotionalen Bewirtschaftung der Bürger zu politischen Erfolgen führen könnte. Diese Einstellung beruht jedoch auf einer liberalen Vorstellung von Politik und Gesellschaft. Diese begreift Politik idealtypisch als ein rationales Geschehen – politische Wahlen und Abstimmungen als Aggregation vernünftiger, individueller Präferenzen.

Doch die freiheitliche Ordnung des Liberalismus, welche das Individuum und dessen eigenen Rechte zum Ankerpunkt des staatlichen Handelns erklärt, sieht sich zunehmend von nur schwer greifbaren, diffusen Protestparteien bedroht, welche teilweise auch an den Grundprinzipien des rechtsstaatlichen Fundamentes rütteln. Diese, oft als populistisch gehandelten, Parteien oder Bewegungen konfrontieren die liberale Öffentlichkeit mit Herausforderungen, die sie längst als überwunden geglaubt hatte.

Die populistische Kommunikationslogik entzieht sich den Regeln liberaler Politikvorstellungen von Demokratie (Bild: Fotolia)

Das populistische Gespenst

Die Unbegreiflichkeit der liberalen Öffentlichkeit gegenüber populistischen Erfolgen ist nichts Neues. Bereits 1986 verglich der Soziologe Helmut Dubiel den Populismus mit einem Gespenst, welches liberale Gesellschaften in Angst und Schrecken versetzt. Diese Metapher verdeutlicht einerseits, dass Populismus als diffuse Bedrohung wahrgenommen wird, andererseits, dass Populismus etwas Unerklärliches, fast Übernatürliches darstellt. Es verwundert folglich nicht, dass sowohl die Medienberichterstattung als auch die Wissenschaft in den letzten Jahren vehement nach Erklärungsansätzen über den Aufstieg des Populismus suchten.

Aus mindestens zwei Gründen tun sich jedoch liberale Akteure schwer damit, den Aufschwung populistischer Kräfte zufriedenstellend zu begreifen und einzuordnen. Einerseits, weil der Liberalismus verglichen mit dem Populismus auf einer fast konträren Vorstellung der Volkssouveränität fusst. Andererseits, weil er sich an einem rationalistischen Politik- und Gesellschaftsbild orientiert, aus dessen Sicht die Beziehung zwischen Emotionen und Politik weitgehend vernachlässigt wird. Die Strategie populistischer Akteure hingegen, basiert weitgehend auf der emotionalen Bewirtschaftung politischer Inhalte, um politische Erfolge zu verbuchen.

Populistisches und liberales Volkssouveränitätsverständnis

Als unzertrennlich für unser heutiges Verständnis etablierter liberaler Demokratien gelten die Konzepte der Volkssouveränität und Rechtsstaatlichkeit. Trotz innewohnenden Widersprüchlichkeiten sind diese zwei Prinzipien im Verlauf der Geschichte eng verschmolzen und bilden die Säulen des demokratischen Verfassungsstaates. Dieser bedingt, dass politische Autorität stets durch den allgemeinen Vorrang des Rechts eingehegt wird, welcher sich in Form klassischer Elemente wie beispielsweise der Verfassungsstaatlichkeit und den Grundrechten zeigt. Während im liberalen Demokratieverständnis die individuellen Rechte, eingebettet in einen verfassungsrechtlichen Rahmen, unabdingbar sind, stellt das Zusammenspiel der zwei Prinzipien aus populistischer Sicht eher einen Versuch dar, den Demos einzuhegen und die fundamentale Volkssouveränität einzugrenzen. Daraus resultiert auch das offen erklärte Anliegen des Populisten, die Vorherrschaft von «Eliten» über den «Willen des Volkes», als dessen Sprachroh er sich selbst deklariert, zu durchbrechen. Dieser Volkswille steht im populistischen Verständnis also über den Verfahrensregeln der Verfassungsdemokratie.

«It‘s the emotions, stupid!»

Der Liberalismus in seinem Idealtyp begreift Politik als rationales Geschehen, welcher Emotionen weitgehend vom vernünftigen Entscheidungsprozess ausschliesst. Bereits bei Immanuel Kant ist die Aufklärung untrennbar mit der vernünftigen Gesellschaft, beziehungsweise der Herrschaft der Vernunft verknüpft. Die weitgehende Überzeugung, dass Emotionen störend wirken, hat sich auch im politischen Bereich durchgesetzt. Fakt heutzutage ist aber, dass viele Populisten derzeit erfolgreich Politik mit der Bewirtschaftung von Emotionen betreiben. Die liberale Reaktion darauf reduziert sich dabei meist auf eine blosse Entsetzung, Moralismus oder dem Bemühen um Aufklärung mittels «Fact-Checking». Verkannt wird jedoch, dass Emotionen einen integralen Bestandteil von Politik bilden und populistische Mobilisierung weitgehend auf einer emotional geführten Rhetorik basiert.

Im Amerikanischen Wahlkampf 2016 wurden die zwei verschiedenen Verständnisse über die Rolle von Emotionen in der Politik auch in der jeweiligen, angewandten Kommunikationskultur deutlich. Der Code der politischen Kommunikation in den etablierten, liberalen Kreisen unterschied sich dabei deutlich vom Code in den Kreisen, aus denen Trump-Anhänger mobilisiert wurden. Bereits die Rhetorik von Trump machte diese Diskrepanz manifest. Sie stellte sich quer den Regeln einer aufgeklärten Öffentlichkeit und brachte für die Medien ein völlig anderes Denken und Sprechen hervor. Eine populistische Rhetorik von knappen, endlos wiederholten Botschaften, einfachen Floskeln, aufgeblasenen Symbolen und emotionalen Appellen widersprechen der kognitiv-normativen, faktenorientierten Kommunikationslogik der traditionellen Politiker und Medien. Das erschwerte die dem Liberalismus wichtige öffentliche Deliberation und konfrontierte sowohl die institutionelle Politik als auch die traditionellen Medien mit einem Dilemma. Wie können sie Inhalte diskutieren, die in ihrem liberalen Verständnis gar keine Inhalte sind? Wie soll man eine Debatte mit jemandem führen, der nach den eigenen Kriterien gar nicht debattiert?

Ein lang überwunden geglaubter Konflikt

Der Populismus produziert dadurch einen Konflikt im Herzen der liberalen Demokratien, den sie lange überwunden geglaubt hatten: der Vorrang des «Willen des Volkes» vor der Verfassungsstaatlichkeit und der Emotionen vor der Vernunft in der politischen Arena. Weil im liberalen Verständnis von Politik Emotionen weitgehend ausgeblendet bleiben und die Verfassungsstaatlichkeit untrennbar mit dem Demokratieverständnis verbunden ist, tut er sich schwer damit, die Hintergründe populistischer Erfolge analytisch einzuordnen. Der Amerikanische Wahlkampf hat dabei beispielhaft gezeigt, dass der Populismus sich der liberalen Perspektive verschliesst, sich dem Zusammenspiel von Politik und Öffentlichkeit entzieht und die Erklärungsansätze der liberalen Öffentlichkeit an ihre Vorstellungsgrenzen zu bringen vermag.