Unternehmen der Kantone und des Bundes expandieren jüngst vermehrt in privatwirtschaftliche Märkte. Das mag betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, doch aus wettbewerblicher Sicht sind solche Engagements problematisch.

Staatsnahe Betriebe wie Post, Swisscom, Ruag, SRG, Informatikdienstleister, Kantonalbanken oder Gebäudeversicherer bauen ihre Geschäftsmodelle stetig aus. Sie stossen in Marktsegmente vor, die wenig mit ihrem ursprünglichen öffentlichen Auftrag zu tun haben. Dass sich private Unternehmen auf rechtlichem Weg zurzeit kaum gegen die staatliche Konkurrenz wehren können, zeigt ein Bundesgerichtsentscheid zugunsten der Expansionspläne der kantonalen Gebäudeversicherer mit privaten Zusatzversicherungen.

Versteckte Querfinanzierung

Nach Ansicht der Richter wird die von der Bundesverfassung garantierte Wirtschaftsfreiheit durch das Engagement kantonaler Institutionen am freien Markt nicht verletzt. Auch sieht das Bundesgericht keine Gefährdung der Wettbewerbsneutralität, solange die öffentlichen Betriebe mit gleich langen Spiessen kämpften und keine «systematischen Quersubventionierungen» zwischen der Tätigkeit im Monopol und jener im wettbewerblichen Markt stattfänden. Ganz im Gegenteil kommt das Gericht zum Schluss, der Eintritt der öffentlichen Anbieter in privatwirtschaftliche Märkte könne den Wettbewerb stimulieren (NZZ vom 19. 7. 12). Mindestens theoretisch ist eine solche Stimulation von Wettbewerb möglich. Erstens nimmt die Konkurrenz mit der steigenden Zahl von Marktakteuren tendenziell zu. Zweitens könnte rein theoretisch auch die Zielfunktion der öffentlichen Unternehmen zur Intensität des Wettbewerbs beitragen, etwa indem zurückhaltendere Gewinnerwartungen des öffentlichen Eigentümers zu einer aggressiveren Preispolitik führen, der auch die privaten Konkurrenten folgen müssen. Ein ähnlicher Effekt könnte, drittens, resultieren, wenn öffentliche Unternehmen aus welchen Gründen auch immer kostengünstiger als andere Marktakteure produzierten.

Da es keinen gravierenden Mangel an privaten Versicherern gibt, spielt der erste Effekt im schweizerischen Kontext eine untergeordnete Rolle. Auch der dritte Effekt ist in der Praxis wenig relevant. Jedenfalls deuten unzählige empirische Untersuchungen darauf hin, dass Staatsbetriebe unter gleichen Marktbedingungen nicht systematisch effizienter sind als die Privaten. Von höherer Bedeutung könnte daher der zweite Effekt sein. Dieser aber ist besonders kritisch, denn sowohl der Verzicht auf Gewinn als auch die Schadloshaltung bei Verlusten stellen faktisch Subventionen durch den öffentlichen Eigner und damit den Steuerzahler dar. Das Bundesgericht erwähnt diesen Aspekt von Subvention zwar in seinem Urteil, doch hält es auch fest, dass die blosse Befürchtung einer Verlustdeckung durch den öffentlichen Eigner noch keine systematische Quersubventionierung darstelle. Tatsächlich sind die Formen von Subventionen und Quersubventionen vielfältig und sind in der Praxis schwierig festzustellen, selbst wenn die Buchhaltung transparent geführt wird. Denn Ressourcen wie Mitarbeiter, Produktionsanlagen und Immobilien oder auch bestehende Kundenbeziehungen werden häufig gleichzeitig in unterschiedlichen Geschäftsfeldern verwendet. Dies setzt eine Aufschlüsselung der Kosten voraus, was mit Interpretationsspielraum verbunden ist. Es ist naheliegend, dass öffentliche Unternehmen möglichst viele Aufwendungen dem Monopol oder der subventionierten Grundversorgung anlasten, dem Geschäftsfeld im Wettbewerb dagegen möglichst wenige Kosten zuweisen. Das kann beispielsweise geschehen, indem höchstens die Mehr- bzw. Grenzkosten aus den zusätzlichen Aktivitäten belastet werden.

Fehlendes Subventionsverbot

In seinem Urteil weist das Bundesgericht auf die korrigierende Rolle des Kartellgesetzes hin. Doch in diesem finden sich keine expliziten Bestimmungen zu den Subventionen. Konkurrenten könnten sich allenfalls auf den Artikel 7 berufen, wonach es unzulässig ist, wenn marktbeherrschende Unternehmen andere in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindern oder die Marktgegenseite benachteiligen. Dies aber setzt voraus, dass es sich beim öffentlichen Anbieter tatsächlich um ein marktbeherrschendes Unternehmen handelt. Auch andere rechtliche Grundlagen wie das Subventionsgesetz, das Binnenmarktgesetz oder Regelungen im Zusammenhang mit internationalen Abkommen (WTO, Freihandelsabkommen mit der EU) bieten Privaten kaum relevante Möglichkeiten, sich gegen die längeren Spiesse öffentlicher Unternehmen zur Wehr zu setzen. In der Schweiz fehlen daher griffige Gesetzesgrundlagen, die es den privaten Konkurrenten oder der Wettbewerbsbehörde möglich machen, gegen die staatliche Konkurrenz vorzugehen. Dabei wäre es möglich, entsprechende Regelungen zu schaffen. So könnten Verbote zu Quersubventionen in den branchenspezifischen Gesetzen festgelegt werden. Ein Beispiel dazu liefert das Stromversorgungsgesetz, das Quersubventionen zwischen dem regulierten Netz und anderen Tätigkeiten explizit verbietet und mindestens eine buchhalterische Entflechtung vorschreibt.

Effektiver wäre eine allgemeine Formulierung, die wettbewerbsverzerrende Subventionen untersagt. Die EU kennt solche Regelungen im Rahmen des Beihilfeverbots. Doch bisher war das Interesse dafür vor allem seitens der Kantone gering, denn die Konsequenzen wären weitreichend. Um ungerechtfertigte Begünstigungen möglichst konsequent auszuschliessen, müssten sie die bisher exklusiv bei den eigenen Unternehmen bestellten Leistungen der Grundversorgung bzw. des Service public öffentlich ausschreiben. Ein positiver Nebeneffekt wäre daher eine weitere Marktöffnung in der Grundversorgung was wiederum die Möglichkeiten von Quersubventionen reduzieren würde. Ein dritter, besonders weitgehender Ansatz bestünde darin, die Expansion öffentlich beherrschter Unternehmen in neue Marktsegmente pauschal zu verbieten. Vorbild dafür könnte etwa ein Zusatz im schwedischen Wettbewerbsrecht sein, der sich explizit mit den öffentlichen Betrieben befasst. Dieser ermöglicht eine Beschränkung des Aufgabenspektrums der öffentlichen Hand. So können den Teilstaaten oder den Kommunen gewisse Handlungen im Zusammenhang mit dem Angebot von Gütern oder Dienstleistungen untersagt werden, sofern diese den Wettbewerb zu behindern oder zu verzerren drohen. Auch in der Schweiz wären solche Regelungen möglich sofern der politische Wille dazu bestünde.

Dieser Artikel erschien in der Neuen Zürcher Zeitung vom 07. August 2012.