Fragen über Gerechtigkeit und Fairness bewegen die junge Generation. Aus diesem Grund führte Avenir Jeunesse im Anschluss an den Think-Tank-Summit vom 21. und 22. Januar 2019 einen Workshop mit Gymnasiasten zum Thema Ungleichheit durch. Es wurden Fakten über die Einkommens- und die Vermögensungleichheit weltweit und in der Schweiz präsentiert; über soziale Mobilität, Demokratisierung, Globalisierung, Wirtschaftswachstum und Wohlstand im Kontext von Ungleichheit gesprochen sowie über unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen diskutiert.

Obwohl der Wohlstand weltweit so hoch ist wie nie zuvor, ist eine negative Gefühlslage beobachtbar. In Deutschland ergaben Umfragen beispielsweise, dass eine Mehrheit der Teilnehmenden die Ungleichheit höher einschätzt, als sie tatsächlich ist. Wir stellten uns deshalb die Frage, wie Zürcher Gymnasiasten die Existenz und den Umfang von Ungleichheit einschätzen.

Gefühlte Ungleichheit

Der Einstieg in den Workshop erfolgte über eine kurze Umfrage: Eine klare Mehrheit der Gymnasiasten war der Meinung, dass die Ungleichheit weltweit zu hoch sei. Bezüglich der Schweiz ergab sich ein differenzierteres Meinungsbild, wobei die Ungleichheit tendenziell nicht als zu hoch eingeschätzt wurde.

Bei der Frage, ob die Ungleichheit in der Schweiz gewachsen ist, hielten sich die Meinungen die Waage. Hinsichtlich der globalen Entwicklung von Ungleichheit war ein Grossteil aber davon überzeugt, dass die Ungleichheit nicht gewachsen sei.

Gemessene Ungleichheit

Ungleichheit weckt Emotionen – dementsprechend wichtig ist es, den politischen Diskurs über Ungleichheit faktenbasiert zu führen. Dabei sind folgende Fragen zu unterscheiden: Wie hoch ist die Ungleichheit? Wächst sie? Ist die Ungleichheit zu hoch? Wie und in welchem Umfang soll umverteilt werden? Die ersten beiden Fragen lassen sich wissenschaftlich beantworten, bei den anderen Fragen fliessen in hohem Masse politische Überzeugungen und Gerechtigkeitsvorstellungen in die Antworten ein.

Im ersten Teil des Workshops standen die ersten beiden Fragen im Zentrum. Es wurde thematisiert, wie man Einkommens- und Vermögensungleichheit misst. Nach einem Crashkurs in Statistik und Erklärungen zu Lorenzkurve und Gini-Index beleuchteten zwei externe Referentinnen, Dr. Isabel Martinez und Dr. Ursina Kuhn, das Thema Einkommens- und Vermögensungleichheit mit Fokus auf die Schweiz. Natanael Rother, Fellow von Avenir Suisse, betonte, dass es keine einfachen Lösungen für Ungleichheitssituationen gebe und sich diese nach Weltregionen und Ländern unterscheiden.

Keine Polarisierung in der Schweiz

Weltweit nimmt die Ungleichheit insgesamt ab, was vor allem mit dem Aufstieg asiatischer Länder zu tun hat. Die Schweiz liegt gemäss Gini-Index bei der Einkommensungleichheit im internationalen Mittelfeld. In den letzten Jahren ist die Einkommensungleichheit nicht gestiegen, das heisst, es hat keine Polarisierung der Einkommen stattgefunden. Im Gegenteil, es ist zu beobachten, dass tiefe Einkommen aufholen konnten. In angelsächsischen Ländern ist die Einkommensungleichheit vor Umverteilungsmassnahmen hingegen wesentlich höher als in der Schweiz. Von einer Ungleichheitssituation in einem Staat darf deshalb nicht automatisch auf die Ungleichheitssituation in einem anderen Staat geschlossen werden. Auch bei der Messung von Vermögensunterschieden braucht es länderspezifische Analysen. In der Schweiz muss etwa das Pensionskassensystem berücksichtigt werden, da ansonsten die Vermögensungleichheit zu hoch eingeschätzt wird.

Gute und gerechte Ungleichheit?

Im zweiten Teil wurde das Gehörte im Rahmen eines World-Cafés unter aktiver Beteiligung der Gymnasiasten vertieft: Ungleichheit wurde in den Kontext von sozialer Mobilität, Demokratisierung, Globalisierung, Wirtschaftswachstum und Wohlstand gestellt sowie Gerechtigkeitsvorstellungen diskutiert. Die Gymnasiasten setzten sich beispielsweise mit Behauptungen wie «Jeder ist seines Glückes Schmied» auseinander, wodurch sich spannende Diskussionen ergaben.

Aufgrund der regen und kritischen Teilnahme der Gymnasiasten kann positiv in die Zukunft geblickt werden. An Personen mit dem Willen Sachen auf den Grund zu gehen, die sich nicht einfach mit undifferenzierten Antworten abspeisen lassen, wird es nicht mangeln.