Im Umgang mit dem starken Franken sind primär die Unternehmen gefordert. Aufgabe der Politik ist es, die bestmöglichen Rahmenbedingungen hierfür zu schaffen.
Der Entscheid der Nationalbank vom 15. Januar, den Mindestkurs des Schweizerfrankens zum Euro aufzuheben, und die damit verbundene Aufwertung hinterlassen deutliche Spuren. Trotzdem ist Panikstimmung weder gerechtfertigt noch hilfreich. Einerseits war die Abkehr vom Mindestkurs im volatilen europäischen Umfeld nicht mehr abzuwenden – es war die einzig ökonomisch sinnvolle Option für die Notenbank – und zweitens gibt es durchaus gute Möglichkeiten für den Umgang mit einem starken Schweizerfranken.
Preisstabilität als Standortvorteil
Im erratischen europäischen Umfeld der EU im letzten Jahr wurde der Schweizerfranken immer mehr als Fluchtwährung verwendet. Dies zwang die Nationalbank zu massiven Devisenmarktinterventionen. Das nicht endende griechische Drama hat die Situation weiter verstärkt und die SNB in eine ungemütliche Ecke mit enormen Interventionen mit unvorhersehbaren Wirkungen gedrängt. Um ihre Handlungsfähigkeit nicht ganz zu verlieren, musste die SNB handeln, denn die Unabhängigkeit der Notenbank ist der beste Garant für langfristig stabile monetäre Verhältnisse und einer der wichtigsten Standortvorteile der Schweiz.
Internationale Verflechtung
Die darauf folgende starke Aufwertung des Schweizerfrankens ist und bleibt ein Schock für die Schweizer Wirtschaft. Besonders der Dienstleistungssektor ist gefordert, den Wandel hin zu Bereichen mit hoher Wertschöpfung aktiv mitzugestalten. Nur die qualitativ besten, innovativsten Angebote können langfristig den Wohlstand in der Schweiz sichern. Die Erfahrungen mit ähnlichen Aufwertungsschüben des Frankens in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Unternehmen zwar für eine gewisse Zeit mit niedrigen Margen und Umsatzrückgängen zu kämpfen haben, dass sie aber durchaus in der Lage sind, ihre Produktivität im Laufe von ein bis zwei Jahren zu steigern. Dabei ist klar festzuhalten, dass die starke internationale Verflechtung dem Standort Schweiz hilft. Heute werden vermehrt Vorleistungen aus dem Ausland bezogen und verbilligen dadurch die Produktionskosten. Je mehr Vorleistungen importiert werden, desto eher kann der Preisdruck des starken Frankens kompensiert werden. Im Durchschnitt beträgt der Anteil der ausländischen Wertschöpfung 28%, es gibt aber deutliche Unterschiede zwischen den Branchen, der Anteil kann bis zu 40% gehen wie bei der Chemie -, Pharma- oder der Textilindustrie.
EU-Marktzugang ist zentral
Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig die Sicherstellung des Marktzuganges zum europäischen Binnenmarkt ist und bleibt. Natürlich tut sich auch ein grosses Marktpotential in aussereuropäischen Märkten auf, die Erschliessung dieses Potentials wird aber noch Jahre dauern und viele Investitionen benötigen. Auf jeden Fall können heute asiatische oder lateinamerikanische Märkte noch keine substantiellen Lücken beim Ausfall von europäischen Märkten schliessen, ausser vielleicht im Tourismus, wie die jüngsten Zahlen der Hotellerie gezeigt haben. Eine konsequentere Marktöffnung auch im Agrarbereich, z.B. die Durchsetzung des Cassis-de-Dijon Prinzips, und ein zügiger Ausbau von Freihandelsabkommen ist für das langfristige Wachstum der Schweizer Wirtschaft zentral. In diesem Sinn sind Abkommen wie dasjenige mit China sehr zu begrüssen. Allerdings sind in diesen Abkommen jeweils die Dienstleistungen nicht integraler Bestandteil, was in Zukunft unbedingt berücksichtigt werden sollte. Schon heute machen die Dienstleistungen 74% des Schweizer BIP aus und sie trugen 62% zum Dienstleistungsbilanzüberschuss bei.
Regulierungen abbauen
Umfangreiche konjunkturpolitische Massnahmen sind weder notwendig, noch erfolgsversprechend. Mit der Arbeitslosenversicherung und der Schuldenbremse hat die Schweiz zwei gute und automatische Systemstabilisatoren. Dies lehren ebenfalls die Erfahrungen in der Vergangenheit. Glücklicherweise konnten Bund und Kantone bisher solchen Verlockungen widerstehen. Einen wirkungsvollen Ansatzpunkt für die Behörden zur Verbesserung der Standortbedingungen bietet das zunehmende Regulierungsdickicht. Administrative Kosten in der Höhe von 5% des BIP könnten mit einem zügigen Abbau von Regulierungen eingespart werden. Leider sind die Bemühungen in diese Richtung aber noch sehr marginal bis inexistent. In vielen Bereichen werden im Gegenteil neue Regulierungsmonster auf den Tisch gelegt, so im Bankensektor, in der Lebensmittelindustrie, im Gesundheitswesen oder im Energiebereich. Bis aber die Behörden reagieren und sich wieder auf die für den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz zentralen liberalen Grundsätze besinnen, braucht es einen politischen Konsens über die hohen volkswirtschaftlichen Kosten der Überregulierung. Hier tun sich die Parteien schwer – ausser Lippenbekenntnissen sieht man nicht viel. Auch die Wirtschaftsverbände sollten sich stärker engagieren.
Reichere Konsumenten
Bei allen Herausforderungen, die der starke Franken schafft, gilt es nicht zu vergessen, dass die Bürger nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Konsumenten sind. Als solche gehören sie klar zu den Gewinnern der Frankenstärke: sie können sich dank den verbilligten Importen und dem dadurch ausgelösten Druck auf die Konsumentenpreise mit dem gleichen Lohn mehr leisten als bisher!
Dieser Artikel erschien in der «Zürcher Wirtschaft» vom September 2015.