In zahlreichen Ländern streikten dieses Jahr Schüler und Studenten fürs Klima. Damit brachte die Fridays for Future Bewegung die Klimadebatte in die Öffentlichkeit. Die Wahlerfolge der Grünen Parteien im In- und Ausland verfestigten den Klimakurs in der Politik. Der Klimawandel ist eine Tatsache, die von einer breiten Faktenlage gestützt wird. Ob abschmelzende Gletscher, Hitzesommer oder Überschwemmungen – die Umweltfolgen verursacht durch den Ausstoss an Treibhausgasen weisen auf den Handlungsbedarf hin. Doch sobald es um die Bestimmung und Umsetzung von konkreten Umweltmassnahmen geht, scheiden sich die Geister. Während die einen laut nach Verzicht, Regulierung und Steuern rufen, sehen andere die Lösung im Fortschritt und in smarter Digitalisierung.
Auch in der Schweiz werden parlamentarische Forderungen laut, die im Namen des Klimaschutzes strenge Regulierungen verlangen. So zum Beispiel die Einführung einer Flugsteuer oder die Verpflichtung des Finanzsektors zum Klimaschutz. Aber ist dem Klima tatsächlich geholfen, wenn Herr und Frau Schweizer mehr Abgaben auf den Flugverkehr leisten müssen? Und wo sollten Klimamassnahmen ansetzen, um die grösste Wirkung zu erzielen? Fest steht, dem globalen Klima ist es egal, ob die nächste Tonne CO2 in China oder in der Schweiz eingespart wird. Im Gegensatz dazu spielt es eine Rolle, ob ein Land die Klimaproblematik im nationalen Alleingang antritt oder nach einer Lösung im globalen Verbund sucht.
Gefragt nach den dringendsten Umweltproblemen verweist Anja Kollmuss vom Verband swisscleantech auf den Ausstoss der Treibhausgase. Franziska Herren, Initiantin der Trinkwasser-Initiative, erkennt die Notwendigkeit eines reduzierten Kohlenstoffdioxid Ausstosses, trotzdem sieht sie das dringendste Problem bei der Trinkwasserverschmutzung, verursacht durch die lokale Landwirtschaft. Demnach sollte die landwirtschaftliche Produktion der Schweiz reduziert werden, was in der Folge Natur, Umwelt und nicht zuletzt das Portemonnaie entlasten würde. «Wir subventionieren im Moment unsere eigene Trinkwasserverschmutzung und schotten gleichzeitig den Markt vor ausländischen Anbietern ab», bringt sie es auf den Punkt. Dabei sei eben nicht alles, was im Ausland produziert würde, automatisch von schlechterer Qualität, fügt sie weiter an.
Dank Fortschritt vergleichsweise geringer CO2 Ausstoss trotz Bevölkerungswachstum
Schnell wird deutlich, dass selbst aus nationaler Perspektive das Ausland in der Umweltschutz vs. Wohlstand Debatte nicht ausser Acht gelassen werden kann. In diesem Zusammenhang wird gerne kritisiert, die Schweiz hätte mit der Globalisierung auch ihren CO2 Ausstoss ins Ausland verlagert. Schliesslich ist der helvetische CO2 Ausstoss seit 1990 um ‘nur’ 10 Prozent gestiegen, während die Bevölkerung gleichzeitig um 25 Prozent zunahm. Dass dem nicht nur so ist, erklärt Patrick Dümmler, Senior Fellow Avenir Suisse: «Unsere Technologien und Produktionsweisen sind vielfach auf dem neusten und klimafreundlichsten Stand.» Dieser Fortschritt habe unter anderem dazu beigetragen, dass der Ausstoss an Treibhausgasen trotz Bevölkerungswachstum vergleichsweise gering ist.
Wo sollte die schweizerische Klimapolitik sinnvollerweise ansetzen? Diesbezüglich herrscht Uneinigkeit. Ion Karagounis, Verantwortlicher für neue Wirtschaftsmodelle beim WWF Schweiz, sieht die Lösung im reduzierten Konsum jedes Einzelnen. Gemeinsam mit Anja Kollmuss macht er sich für strengere Abgaben und Regulierungen stark. Demnach sollte sich die Schweiz im nationalen Alleingang zu strengeren Klimazielen verpflichten. Die Folge davon wäre aber auch im internationalen Vergleich schlechtere Rahmenbedingungen für Unternehmen und konsequenterweise die Abwanderung von Firmen, ein Verlust von Arbeitsplätzen und massive Steuerausfälle. Ebenso müsste das Wohlstandsniveau nach unten korrigiert werden. Und das Klima? Der Einfluss auf die Umwelt wäre marginal, bemessen an den Beiträgen der Schweiz am globalen CO2 Ausstoss im Promillebereich. Das Gegenteil einer win-win Situation wäre der Fall.
«Weniger Konsum durch einzelne Länder bedeutet nicht automatisch mehr Umweltschutz»
Im Gegensatz dazu könnte die Schweiz mit denselben Investitionen in aufholenden Ländern wie China oder Indien eine weitaus grössere, umweltschonende Wirkung erzielen, erklärt Patrick Dümmler, da dort technologische Lösungen des Klimaschutzes weniger verbreitet eingesetzt würden. Ausserdem betont er: «Weniger Konsum durch einzelne Länder bedeutet nicht automatisch mehr Umweltschutz.» Eine sinkende Nachfrage beispielsweise nach Rohöl hat zur Folge, dass die Preise fallen und es für Konsumenten in anderen Ländern attraktiver werde, Erdöl als Energieträger zu nutzen. Entscheidend ist, dass vor allem im Verkehr die Externalitäten internalisiert werden, womit die dadurch verursachten Umweltkosten von den Verkehrsnutzern bezahlt werden.Wer heute um den Erdball jettet, der zahlt den Preis für den Spritverbrauch, die Infrastruktur und Arbeitsstunden – nicht aber für die entstandenen Umweltschäden.
Klimapolitik sollte entkoppelt von Parteipolitik, Ideologie und Stakeholder Interessen stattfinden. Zentral ist ein technologieneutraler Ansatz mit einem Augenmerk auf die erwiesenermassen wirksamsten Massnahmen. Dazu gehört auch, dass keine zusätzlichen Abhängigkeiten durch neue Subventionen geschaffen werden. Dies würde notwendige Anpassungen auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft erschweren. Nur so kann Klimapolitik unabhängig und zielführend gestaltet werden.