Städte und ihr Einzugsgebiet sind die wirtschaftlichen Motoren des Landes. Das Kräfteverhältnis zwischen Stadt und Land ist aber nicht konstant: Überraschend zeigen Daten von BAK Basel, dass die Zentren das Land immer weiter hinter sich lassen. Die wirtschaftliche Bedeutung der vier Schweizer Metropolitanregionen Zürich, Genfersee, Basel und Bern ist insgesamt überragend: Auf nur 10 Prozent der Fläche erarbeiten 47 Prozent der Bevölkerung zwei Drittel der Wertschöpfung des Landes (siehe Grafik). Das ist das Resultat einer am Freitag in der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» publizierten Analyse von Avenir Suisse.
Die mit Abstand bedeutendste Region ist Zürich. Sie allein trägt 29 Prozent zur Wertschöpfung des Landes bei, ausgedrückt im Anteil am Bruttoinlandprodukt (BIP). Auf Rang zwei und drei folgen Genf/Lausanne mit 14 und Basel mit 10 Prozent. Der Anteil der Region Bern liegt bei 6 Prozent.
Die Zentren entwickeln sich allerdings nicht alle gleich dynamisch. Das Wachstum bei Arbeitsplätzen und Bevölkerung hat in den letzten zehn Jahren laut der Studie deutlich überproportional in Zürich und in der Genferseeregion stattgefunden. Auch der Blick auf den Arbeitsmarkt bestätigt die Lokomotivfunktion dieser beiden grössten Regionen: In Zürich und Genf wuchs die Zahl der Erwerbstätigen in den letzten zehn Jahren weit über dem nationalen Durchschnitt.
Noch deutlicher zeigen sich die verschiedenen Tempi der Entwicklung bei der Bevölkerung. Von 2000 bis 2010 stiegen die Zahlen in Zürich und Genf 50 Prozent stärker als im Landesdurchschnitt. «Diese beiden Regionen absorbierten einen grossen Teil der starken Zuwanderung seit Einführung der Personenfreizügigkeit », sagt dazu Daniel Müller-Jentsch, Projektleiter der Untersuchung für Avenir Suisse. Ganz anders das Bild in Basel und Bern: Dort lag das Bevölkerungswachstum gar unter dem Schweizer Mittel. Müller Jentsch begründet das damit, dass Migranten weltweit tendenziell zuerst in die grossen Zentren ziehen. Das ungleiche Wachstum erklärt auch, warum Diskussionen über Zuwanderung und Wohnungsmangel namentlich in Zürich brennend sind (siehe Interview mit Corine Mauch).
Neben den dynamischen Zentren gibt es auch viele ländliche Räume, die sich im Gleichschritt mit der Schweizer Wirtschaft entwickeln. Dazu kommen in Berggebieten «potenzialarme» Räume. Dort sind laut Müller-Jentsch die Strukturen wegen der Abwanderung teilweise so schlecht, dass Subventionen keine Verbesserung mehr bewirkten. Ziel müsse dort «ein geordneter Rückzug» sein. Anders als etwa in Skandinavien sei das in der Schweiz aber noch ein politisches Tabu.
Dieser Artikel erschien in der «NZZ am Sonntag» am 22. Mai 2011. Mit freundlicher Genehmigung der «NZZ am Sonntag».