Die Motive von Miliztätigen sind so vielfältig wie deren Ämter und Lebenskontexte. Dies zeigen Befragungen, die der Lehrstuhl für Arbeitspsychologie der ETH Zürich unter 2793 Miliztätigen in Schulpflegen, Kirchenpflegen und Gemeindeexekutiven des Kantons Zürich zwischen 2005 und 2010 durchgeführt hat.
Die Schul- und Kirchenpfleger sowie Gemeinderäte und -präsidenten engagieren sich aus einer Mischung von gemeinnützigen, materiellen und anderen Beweggründen. Die Motive lassen sich zu vier Themen zusammenfassen, die anhand verschiedener Aussagen pro Motiv ermittelt wurden: die Gemeinschaft, das Gestaltenwollen, die Alltagsbereicherung und der instrumentelle Nutzen. Unabhängig vom Amt steht bei den Miliztätigen an erster Stelle das Bedürfnis, sich für die Gemeinschaft nützlich zu machen. Das zweitwichtigste Motiv ist das Gestaltenwollen, gefolgt von den Motiven der Alltagsbereicherung. An letzter Stelle stehen Beweggründe, die sich auf den instrumentellen Nutzen – Verdienst, Zugang zu Ämtern – der Tätigkeit beziehen.
Die Abbildung illustriert die Bedeutsamkeit der vier Motivgruppen je nach Milizamt mit jeweils einer exemplarischen Aussage. Die Instruktion lautete: «Als Sie Ihre Miliztätigkeit begonnen haben, wie wichtig waren für Sie die folgenden Gründe?» Angegeben sind die prozentualen Anteile derjenigen Personen, die den Beweggrund für «eher wichtig» und «wichtig» halten. Je nach Arbeitspensum werden diese Beweggründe unterschiedlich bewertet: Je weniger ein Miliztätiger in den Arbeitsmarkt integriert ist, desto wichtiger sind Motive der Alltagsbereicherung. Dies gilt bei nicht oder kaum erwerbstätigen Schulpflegern – oft Frauen oder ältere Personen.
Auch instrumentelle Motive wie die Entschädigung, der berufliche Nutzen oder der Zugang zu Ämtern sind wichtiger für Miliztätige mit keiner oder geringer Erwerbstätigkeit als für solche mit einem höheren Erwerbspensum. Für manche übernimmt die Miliztätigkeit also Funktionen der Erwerbsarbeit. Dies zeigt sich auch in der subjektiven Verortung der Miliztätigkeit: Lässt man Miliztätige ihre Ämter zwischen den Polen Freiwilligen- und Erwerbsarbeit einstufen, ordnen beruflich nicht oder gering Beschäftigte ihre Miliztätigkeit näher bei der Erwerbs- als bei der Freiwilligenarbeit ein.
Wie steht es um die gesellschaftliche Anerkennung der Milizarbeit? Personen, mit denen die Miliztätigen über ihre Tätigkeit in direktem Kontakt stehen, schätzen deren Arbeit am meisten. Die Gemeinderäte und -präsidenten erfahren die grösste Anerkennung von Angestellten der Gemeindeverwaltung, mit denen sie zusammenarbeiten (z.B. Gemeindeschreiber), und von den anderen Mitgliedern des Gemeinderats. Ähnlich berichtet die Hälfte der Schulpfleger von einer grossen Anerkennung auf Seiten der Lehrerschaft. Von Eltern und Schülern berichten sie hingegen geringere Anerkennung. In der Kirchenpflege kommt die grösste Wertschätzung vom Pfarrer und von den Angestellten.
Auch das enge private Umfeld – Familie, Freunde und Nachbarn – schätzt die Miliztätigkeit in der Schulpflege und der Gemeindeexekutive. In der Kirchenpflege hingegen fällt die Anerkennung aus dem privaten Umfeld gering aus. Gering sind auch die Anerkennung und Wertschätzung, die die übrigen Bürger den Miliztätigen in der Gemeindeexekutive entgegenbringen, so die Einschätzung der Befragten.
Gerade weil die Gemeinschaft und das Gestaltenwollen für viele Miliztätige wichtige Motive darstellen, wäre eine grössere Anerkennung – sei sie gesellschaftlich, beruflich oder öffentlich-rechtlich – ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der Beteiligungsbereitschaft.
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in dem Buch «Bürgerstaat und Staatsbürger – Milizpolitik zwischen Mythos und Moderne» (Kapitel Hanna Ketterer, Stefan Tomas Güntert, Theo Wehner: S. 125-142).