Der EU und ihrem Binnenmarkt stehen viele Herausforderungen bevor. Nicht alle davon sind wirtschaftlicher Natur: So hat der Krieg in der Ukraine offenbart, dass die engen Handelsbeziehungen auf dem Kontinent nicht ausreichen, um die europäische Sicherheit zu gewährleisten. Die EU wird ihre Rolle als globaler Akteur in Zukunft aktiver wahrnehmen müssen, um ihre Werte zu schützen. Dies gilt auch bezüglich geopolitischer Entwicklungen wie der zunehmenden Rivalität zwischen den USA und China.

Bis jetzt hat die Europäische Union eine pragmatische Haltung eingenommen und bezeichnet China zwar durchaus als systemischen Rivalen, aber auch als Partner und Wettbewerber. Sie versucht damit eine Gratwanderung zu vollbringen, die ihr erlaubt, weiterhin mit China zu handeln. Der Druck aus den USA, sich klarer zu positionieren, steigt jedoch. Angesichts der Tatsache, dass die USA zurzeit die grösste Unterstützung im Ukraine-Krieg leisten, ist es wichtig, den Verbündeten nicht zu vergraulen. Allerdings wäre eine Eskalation – und demzufolge eine wirtschaftliche Abkoppelung von China – weitaus kostspieliger, als es aktuell im Fall Russlands ist.

China ist mit 23% des Welthandelsvolumens nicht nur für mehr als vier Mal so viele grenzüberschreitende Handelstransaktionen verantwortlich als Russland. Für die meisten EU-Mitgliedstaaten sind die Handelsvolumina mit China sogar grösser als diejenigen mit den USA. Doch auch die Zusammensetzung der Exporte spielt eine Rolle: Während Russland zu zwei Dritteln Rohstoffe exportiert, liefert China grösstenteils verarbeitete Produkte. In der im Jahr 2021 aktualisierten Industriestrategie der EU zeigte sich zudem, dass mehr als die Hälfte der als strategisch bedeutsam eingestuften Produkte aus China stammen.

Die EU ist bezüglich ihrer Freiheiten einzigartig. Neue geopolitische Entwicklungen setzen diese allerdings zunehmend unter Druck. (Markus Spiske, Unsplash)

Es gibt also gute Gründe für die EU, ihre Abhängigkeit von einzelnen Ländern allmählich zu reduzieren. Dies geht jedoch mit einer weiteren Herausforderung einher: Viele Produkte aus China werden für die grüne und digitale Transformation gebraucht. Will die EU ihren Green Deal umsetzen und insbesondere ihr Ziel erreichen, Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55% zu senken, bleibt ihr nicht mehr viel Zeit, um nach Alternativen zu suchen.

Konkurrenz kommt hierbei auch aus den USA, die mit einem milliardenschweren Klimaschutz- und Sozialpaket ihre eigenen «grünen» Industrien fördern. Als Reaktion wurden in der EU daraufhin Hunderte Milliarden an Beihilfen für die Entwicklung europäischer Technologien gesprochen. Damit soll verhindert werden, die EU-Mitgliedsstaaten zu benachteiligen. Der daraus folgende Subventionswettlauf ist allerdings der falsche Ansatz. Die Stärke des europäischen Binnenmarkts war bisher immer der Wettbewerb. Dieser wird von Subventionen nun verzerrt, anstatt dass Industrien geschaffen werden, die sich auch langfristig gegen ausländische Konkurrenz behaupten können.

Der EU steht bereits ein wirksames Instrument zur Verfügung, das genauso einen Anreiz für die Entwicklung klimaneutraler Alternativen setzt: der Emissionshandel. Gegen Trittbrettfahrer, die ihre CO2-Emissionen nicht bepreisen, hilft eine CO2-Abgabe auf Importe – ganz im Sinne eines Klimaklubs. Dieser Ansatz ist nicht nur effizienter, sondern auch technologieneutral. Am wichtigsten ist jedoch, das Erfolgsmodell des europäischen Binnenmarktes zu bewahren: den freien Wettbewerb. Die EU sollte im Umgang mit ihren geopolitischen Gegenspielern den Mut haben, eine europäische, liberale Lösung zu finden.

Dieser Beitrag ist im Mai-Magazin von europa.ch erschienen.