Kennen Sie Donald Trumps Lieblingswort? Es heisst «tariffs», also Zölle. Trumps Ankündigung, gegen fast jedes Land im Minimum 10% Zölle zu erheben, treibt auch die Schweiz um.
Zwar kann unser Land mit guten Argumenten aufwarten: Sie importiert deutlich mehr Dienstleistungen aus den USA, Schweizer Unternehmen investieren Milliarden in den US-Markt, und sie hat die Industriezölle 2024 einseitig abgeschafft. Doch beim Agrarhandel zeigt sie sich weiterhin kompromisslos – als Zollfestung im Herzen Europas.
Und genau das könnte nun zum Problem werden: In einem Umfeld wachsender Abschottung geraten als ungleich empfundene Handelsbeziehungen zunehmend unter Druck. Während die Schweiz Industriegüter zollfrei ins Land lässt, hält sie im Agrarbereich am Protektionismus fest – auf Kosten der Konsumentinnen und Konsumenten, zulasten neuer Handelsabkommen und zulasten der Glaubwürdigkeit einer offenen Wirtschaftspolitik.
Der Zoll-Hammer aus Washington ist deshalb auch eine Warnung an die Schweiz selbst. Wer sich über neue US-Zölle beklagt, muss auch die eigene Handelspolitik kritisch hinterfragen – das gilt besonders für den Agrarschutz. Zu lange hat man sich hinter hohen Zollmauern verschanzt. Die Folge: veraltete Strukturen und hohe Preise. Wer jetzt Reformen angeht, stärkt nicht nur den Agrarsektor, sondern auch die Bemühungen der Schweiz, mit möglichst vielen Handelspartner zu kooperieren.
Doch wie bedeutend sind die Schweizer Agrarzölle tatsächlich? Und welche Auswirkungen hat das auf Wirtschaft, Konsumenten und Aussenpolitik? Die folgenden sieben Fragen liefern Antworten – und zeigen auf, warum die Schweiz jetzt handeln sollte.
1. Sind die Schweizer Agrarzölle wirklich überdurchschnittlich hoch?
Ja. Trotz vergangenen Bemühungen, den Grenzschutz abzubauen, lag laut der Welthandelsorganisation der durchschnittliche Agrarzoll 2023 noch immer bei 24,8% – fast dreimal so hoch wie in der EU und sechsmal höher als in den USA. Für einzelne Produkte wie Käse, Fleisch oder Gemüse betragen die Zölle teils über 100%. Damit gehört die Schweiz weltweit zu den Ländern mit den restriktivsten Bedingungen für Agrarimporte. Zudem stellen hohe regulatorische Anforderungen eine zusätzliche Handelsbarriere dar.
2. Was bedeutet das für die Konsumenten?
Die Abschottung und damit die Preisstützung verursacht Kosten von 2,8 Milliarden Franken pro Jahr. Ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt zahlt somit also über 700 Franken mehr für Lebensmittel – unabhängig davon, ob sie tatsächlich heimische Produkte bevorzugen. Besonders betroffen sind die unteren Einkommensschichten. Diese Kosten stehen in keinem Verhältnis zu den Einnahmen aus den Agrarzöllen, die lediglich 664 Millionen Franken betragen.
3. Warum bleibt der Zollschutz trotzdem bestehen?
Hinter den hohen Zöllen stehen die Interessen der Schweizer Landwirtschaft. Die Zölle schützen kurzfristig das Einkommen der Landwirte und sorgen für Planungssicherheit. Gleichzeitig schottet der hohe Zollschutz aber Landwirtschaft ab. Die Folgen: ineffizienter Strukturerhalt und weniger Innovationen. Wichtig zu wissen: Als Instrument der Agrarpolitik haben Zölle hohe Streuverluste. Es profitieren nicht nur die Landwirtschaftsbetriebe, sondern besonders auch die nachgelagerten Produktionsstufen.
4. Wirkt sich der Zollschutz auf die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik aus?
Ja – und zwar gravierend. Der Agrarschutz hat immer wieder neue Freihandelsabkommen verhindert. Prominentestes und aktuelles Beispiel: Die Verhandlungen mit den USA waren über Jahre hinweg auf Eis gelegt. Da unser Wohlstand zu einem grossen Teil vom internationalen Handel herrührt, sind Freihandelsabkommen für die Schweiz zentral. Aufgrund nicht abgeschlossener Abkommen entgehen der Schweiz über 3 Milliarden Franken jährlich – eine gewaltige Belastung für eine offene Exportwirtschaft wie die Schweiz.
5. Gibt es Beispiele für eine erfolgreiche Marktöffnung im Agrarbereich?
Ja. Der Käsefreihandel mit der EU ist ein Musterbeispiel. Seit 2007 vollständig liberalisiert, stieg die Schweizer Käseproduktion um 15%, die Exporte sogar um 30%. Die befürchteten Verwerfungen blieben aus. Stattdessen zeigt sich: Wettbewerbsfähige Agrarbetriebe setzen auf Innovation und können unter Freihandel florieren – und günstigere Produkte kommen allen Konsumenten zugute.
6. Was wäre ein intelligenter Reformweg?
Ein differenzierter und koordinierter Abbau der Zollschranken:
- Zölle auf Produkte senken bzw. abschaffen, die wir nicht oder kaum selbst herstellen (z. B. tropische Früchte).
- Überhöhte Spitzenzölle abbauen, ungenutzte Kontingente streichen und die Grösse der bestehenden Kontingente schrittweise erhöhen. Kontingente haben immer eine abschreckende Wirkung auf mögliche Lieferanten – ob sie bindend sind oder nicht.
- Regulierungshemmnisse wie die Gentech-Bestimmungen neu gestalten – für mehr Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten.
Eine Studie im Auftrag des SECO zeigt, dass ein grosser Spielraum besteht, den Zollschutz für Agrarprodukte einseitig zu senken, ohne dass die inländische Landwirtschaft beeinträchtigt würde. Sollten trotzdem Verwerfungen befürchtet werden, kann in einer Übergangsphase der Zollabbau stufenweise erfolgen, indem beispielsweise die Zahl der von der Öffnung betroffenen Produktkategorien sukzessive erhöht wird oder die Zolltarife über eine gewisse Zeit auf ihren Zielwert herabgesetzt werden. Zudem kann die Abschaffung von Preisstützungen und Zöllen durch gezielte Direktzahlungen abgefedert werden.
7. Warum ist jetzt der richtige Moment für eine Debatte?
Die Schweizer Agrarpolitik ruht auf zwei Stützen: Zöllen zum Schutz der Inlandproduktion und staatlichen Subventionen. Dieses Doppelmodell macht das System teuer – für Steuerzahler wie für Konsumenten. Und trotzdem erfüllt es die gesetzten Ziele nicht: Viele Bauern sind unzufrieden, Umweltziele werden verfehlt und die angestrebte Selbstversorgung ist eine Illusion.
Gerade die Zoll-Stütze war seit jeher ein Problem ausserhalb der Landwirtschaftspolitik. Der Schweizer Protektionismus hat immer wieder den Abschluss neuer Freihandelsabkommen verhindert. Mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump rückt die Zollfrage nun ins Zentrum der Weltwirtschaft. Zölle sind kein agrarpolitisches Detail mehr, sondern ein starkes handelspolitisches Signal. Die Schweiz steht deswegen zunehmend unter Druck.
Aus Schweizer Sicht liegt die Antwort auf diese neue Herausforderung auf der Hand: Die Zölle müssen abgebaut werden – differenziert, aber entschlossen. Die Zollhürden belasten die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten seit jeher, nun werden sie zum handelspolitischen Vabanque Spiel. Für die Landwirtschaftspolitik ist eine Neuorientierung bei den Zöllen schliesslich ebenfalls eine Chance. Nun ist der ideale Moment, die Grundsatzfragen zu stellen: Was wollen wir mit der Agrarpolitik eigentlich erreichen? Und wie lässt sich das effizient und zukunftstauglich umsetzen?